Nottingham Castle, letzte Tuer links
in
Nottingham war er sein eigener Herr.
Aus
dem Gesicht seiner Mutter wich sämtliche Farbe. Ihre Hand zitterte, sie zog
diese von seinem Ärmel zurück, als hätte sie etwas Ekelerregendes angefasst. In
ihren Augen stand der blanke Hass.
„Ich
hätte es wissen müssen”, flüsterte sie in die plötzliche Stille hinein. „Du
fühlst dich zu deinesgleichen hingezogen. Erst diese dreckige Hure und nun
erbarmt dich das Gesindel aus dem Dorf. Ich hätte es wirklich wissen müssen!”
Sie
griff sich an den Kopf, raufte sich die Haare und ließ ein schrilles Wehklagen
ertönen. Dabei schaukelte sie mit dem Oberkörper in gespenstischer Manier vor
und zurück.
Eadric
überfiel ein kalter Schauer und seine Nackenmuskeln zogen sich hart zusammen.
Noch nie hatte er seine Mutter so erlebt.
„Was
meinst du damit – meinesgleichen?”, fragte er mit heiserer Stimme.
Sie
hörte mit dem Geschaukel nicht auf.
Verflucht!
Eadric
sprang auf und rüttelte sie an der Schulter. „Sprich! Was willst du mir damit
sagen!”, brüllte er sie an.
Sie
hob langsam den Kopf und blickte ihn direkt an. Schwieg für einen unerträglich
langen Augenblick. Er sah sie tief Luft holen, dann erst begann sie zu reden.
„Vielleicht
ist die Zeit gekommen, dass du die Wahrheit erfährst”, zischte sie, hob langsam
die Hand und zeigte mit ihrem krummen Zeigefinger auf ihn. „Du bist kein Nottingham,
du bist nur ein Bastard. Der unwürdige Sohn deiner Amme, ein erbärmlicher Wurm,
den ich angenommen habe, weil unser Sohn kurz nach der Niederkunft starb.”
Sie
presste die Lippen aufeinander.
„Was?”
Eadric
taumelte zurück. Schwindlig. Ein paar Schritte weg von ihr, weg von diesen
Ungeheuerlichkeiten, die sie ihm an den Kopf warf. Sie saß wie erstarrt, ihre
kalten Augen auf ihn gerichtet, während er Halt suchend nach der Tischkante
greifen musste.
Kein
Nottingham?
Er
konnte es nicht glauben, wollte, durfte es nicht glauben.
Sohn
der Amme?
Der
Boden unter ihm schien zu schwanken. Sein Hemdkragen schnürte ihm die Luft ab,
er fasste hinein, zerrte, riss ihn auf. Aber sein Hals blieb eng, das Atmen
fiel ihm schwer, er keuchte, rang nach Luft.
„Nicht
dein Sohn? Das – das kann nicht sein!”
Sie
blieb vollständig ruhig, ihre Stimme tonlos. „Mein echter Sohn war schon bei
der Geburt schwächlich. Er überlebte nicht einmal eine Woche.”
Die
Worte prasselten wie Peitschenhiebe auf ihn ein. Er krümmte sich.
Doch
sie fuhr gnadenlos fort. „Aber kurz nach mir kam die Dienstmagd Cecelya mit
einem Knaben nieder. Also nahm ich ihn an. Zog ihn auf. Wollte ihn zu einem
echten, starken Nottingham machen. Aber das erbärmliche Blut der einfachen
Leute setzt sich am Ende wohl immer durch.”
Sie
wendete ihren Stuhl. Die Räder schabten über den Holzboden. Mit einiger Mühe
gelang es ihr, die Tür ganz zu öffnen. Sie rief nach einem Diener, barsch und
schrill, so wie er ihre Stimme schon sein Leben lang kannte. Die Stimme seiner
Mutter. Die sie gar nicht war. Alles drehte sich um ihn, wirbelte herum,
zerfloss zu einem milchigen Nebel.
Eadric
starrte wie versteinert auf die Tür, die hinter ihr zugefallen war. Kein Laut
war nun zu hören. Die ganze Welt mit einem Mal stumm, das Zimmer leblos, das
Licht fahl. Nicht einmal die Kerze flackerte. Völlig unfähig zu jeder Bewegung
stand er da und konnte seinen Blick nicht abwenden. Dort war sie hinausverschwunden,
die Frau, die ihn sein Leben lang belogen hatte. Sein Atem kam abgehackt, war das
einzige Geräusch in diesem toten Raum.
Ja,
belogen hatte sie ihn. Ihm die treue Ratgeberin vorgespielt, die strenge
Mutter, die doch nur das Beste für ihr eigen Fleisch und Blut wollte.
Aus
der Leere in seiner Brust wurde schlagartig lodernde Wut. Heiß war ihm, sein
Kopf begann zu glühen, das Blut schoss schneller durch seine Adern.
„Du
verdammte Ausgeburt der Hölle!”, brüllte er.
Seine
Hände zuckten, er brauchte etwas, das diese anpacken konnten, etwas, das sein
Zorn zerschmettern konnte, damit diese Glut hinausbrechen durfte aus seinem viel
zu engen Leib. Eadric packte den schweren Eichenstuhl und schmetterte ihn mit
einem animalischen Schrei gegen die Wand, sodass die Splitter durchs ganze
Zimmer flogen.
Kein
Nottingham! Ein Betrüger, eine Missgeburt, ein Bastard! Er machte ein paar
Schritte auf die Wand zu, lehnte seine Stirn dagegen, kühle Mauer an seiner heißen
Haut, hob den Arm und prügelte wie von Sinnen auf die Wand ein. Spürte nichts.
Was gab es auch zu
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