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Nottingham Castle, letzte Tuer links

Nottingham Castle, letzte Tuer links

Titel: Nottingham Castle, letzte Tuer links Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leana Wyler
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spüren.
    Er
war ein Niemand.

*
    Susannah
hielt den Atem an. Sie stand immer noch in der Mauernische neben der Tür, hatte
die Arme um ihren Oberkörper geschlungen und zitterte am ganzen Leib. Voll
Entsetzen hatte sie hier im Gang die Unterhaltung zwischen dem Sheriff und
seiner Mutter mitangehört. Nun war diese mitsamt ihrem Gefährt herausgekommen,
hatte nach einem Diener gerufen, der sofort aus der Richtung der Würfelrunde
angestürmt gekommen war, und sich in ihrem östlichen Flügel schieben lassen. Mit
wild klopfendem Herzen hatte sich Susannah an die Mauer gepresst, aber zum
Glück hatte niemand in den hinteren Teil des Ganges gesehen.
    Nun
war die Gelegenheit günstig, sie musste schnell das Castle verlassen, bevor sie
am Ende noch Lady Nottingham über den Weg lief. Oder irgendjemand sonst sich
wunderte, warum sie sich hier herumdrückte. Aber ihre Füße weigerten sich
starrsinnig, sich in Bewegung zu setzen.
    Aus
den Gemächern des Sheriffs drang plötzlich seine Stimme heraus.
    „Du
verdammte Ausgeburt der Hölle!”, brüllte er. Und dann hörte es sich an, als
würde ein Möbelstück zerschmettert. Dazu der Schrei wie der eines wilden Tiers,
welcher ihr durch Mark und Bein ging.
    „Schnell,
lauf weg” , flüsterte die Vernunft
Susannah ins Ohr. Aber irgendeine andere Macht befahl ihrer Hand, sich auf den
Türgriff zu legen.
    Ganz
langsam öffnete sie diese einen Spalt. Da sah sie, dass Nottingham an der
gegenüberliegenden Wand stand. Abgebrochene Stuhlbeine und eine zersplitterte
Lehne lagen zu seinen Füßen verstreut. Er selbst schlug mit beiden Fäusten auf
die Mauer ein, Blut lief über seine Unterarme. Susannah dachte nicht nach, sie
stürmte auf ihn zu und packte seine Hände.
    „Hört
auf, bitte, Ihr seid schon verletzt!”, rief sie und hielt seine Arme fest. Erst
versuchte er, diese wegzureißen, aber dann gab er plötzlich nach. Flach legte
er die geschundenen Hände an die Mauer, wo sie dunkle Flecken hinterließen. Er
lehnte seine Stirn an die Wand, seine Schultern hoben und senkten sich im
schnellen Rhythmus seines Atems. Er sprach kein Wort und sah sie auch nicht an.
Susannah legte ihm ihre Hand auf den Rücken.
    „Lasst
mich Euch verbinden, Herr”, flüsterte sie.
    Er
fuhr herum, blickte sie an. Die dunklen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, die
Augen flackerten, er war bleich.
    „Wo
kommst du plötzlich her?”, fragte er.
    „Ich
habe vor der Tür gewartet.”
    „Und
alles mitangehört?”
    Susannah
zögerte mit der Antwort. Unterschrieb sie ihr eigenes Todesurteil, wenn sie die
Wahrheit sagte? Aber sie war viel zu aufgewühlt, um sich so geschwind eine Lüge
auszudenken.
    „Ja,
Sire”
    Er
musterte sie lange. Ein Schleier lag über seinen grünen Augen. „Dann weißt du,
dass ich kein Sire bin”, sprach er mit einer Stimme, die so matt klang, als
wäre er völlig erschöpft.
    „Gebt
mir Eure Hände”, sagte sie und riss zwei Streifen ihres Unterkleides ab. Damit
verband sie notdürftig die blutenden Wunden an seinen Handwurzeln.
    „Setzt
Euch doch.” Sie schob ihn zum Tisch, drückte ihn auf einen Stuhl und schenkte
ihm einen Becher Wasser ein. Auch sie nahm am Tisch Platz. Er sah sie die ganze
Zeit an.
    „Warum
tust du das?”, wollte er wissen, „Warum bist du hier?”
    Sie
versuchte ein kleines Lächeln. „Weil Ihr jetzt nicht allein sein solltet. Und
ich sehe hier keinen anderen Freund.”
    Nottingham
lehnte sich am Stuhl an und schloss für einen Moment die Augen. Susannah
betrachtete ihn. Die strenge Falte auf seiner Stirn, die markanten
Gesichtszüge, den weichen Mund. Seine Schultern hingen herunter, jegliche
Körperspannung war aus seinem Leib gewichen. Er wirkte wie ein gebrochener
Mann. Und ungemein verletzlich.
    Seine
gesamte Welt war aus den Angeln gehoben worden, von einem Moment auf den
anderen. Sie konnte nicht annähernd erahnen, wie er sich fühlen musste.
    „Erzählt
mir von der Amme. Cecelya hieß sie, richtig?”, bat sie ihn.
    Er
öffnete die Augen. Seine Stimme war noch dunkler als gewöhnlich, als er
antwortete.
    „Ja,
so ist es. Die gute alte Cecelya.”
    Ein
sarkastischer Unterton schlich sich in seine Erwiderung. „Kein Wunder, dass sie
mich so hegte und pflegte, war ich doch ihr eigenes Kind. Das man ihr weggenommen
hatte.”
    Ob
er lieber bei Cecelya aufgewachsen wäre?, überlegte Susannah. Aber ein Leben in
Armut, bei einer einfachen Amme – das konnte er sich bestimmt gar nicht
ausmalen.
    „Eure
Mutter”, begann Susannah und

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