Nottingham Castle, letzte Tuer links
keine Lust auf ein neues Leben!“
Susannah warf zornig das Handtuch auf den Holztisch. „Mein Entschluss steht
fest, das weißt du auch. Wir brechen in den nächsten Tagen auf nach Oakfield.
Ich nehme es einfach als Fügung des Schicksals, dass Marybeth mir ihr altes
Haus vermacht hat. Obwohl ich mich immer noch frage, wieso sie auf mich kam.“
Der Arzt hatte nun wohl eingesehen, dass er am Entschluss seiner Tochter nichts
mehr ändern konnte, denn seine Stimme wurde sanfter.
„Nun,
du warst ihre beste Hebammenschülerin, da liegt es nahe, dass sie an dich als
ihre Nachfolgerin denkt. Deine Frauen hier müssen eben mit mir vorlieb nehmen.
Auch wenn mir der Gedanke überhaupt nicht gefällt, dass du zwei Tagesritte von
hier entfernt bist. Mit ihm.“
Ein abfälliges Schnauben entfuhr ihm, dann fuhr er fort. „Womit soll er denn
Geld verdienen?“
„Es wird sich schon etwas finden. Er ist sehr geschickt im Schnitzen. Vielleicht
kann er bei einem Schreiner unterkommen. Oder auch bei einem Waffenschmied.“
„Oh ja, dass er mit Klingen umgehen kann, ist allgemein bekannt!“
Jetzt
wurde er auch noch sarkastisch!
Sie holte tief Luft, um der Unterhaltung ein Ende zu bereiten. „Ich weiß, dass
du dir Sorgen machst. Nenn mich ruhig einfältig, aber ich glaube daran, dass
Menschen sich ändern können. Und dass ein guter Kern in ihm steckt.“
„Ich
bete zu Gott, dass du dich da nicht täuschst.” Der Blick ihres Vaters sah nicht
besonders überzeugt aus, aber er ließ es auf sich beruhen.
Susannah goss Wasser in eine Schüssel und wusch sich die Hände. Dann ging sie
in ihr Zimmer und zog ihr Nachtgewand an.
Eadric
lag im Bett und starrte an die Zimmerdecke.
Sie
wusste, dass es ihm nicht gut ging. Dass die Selbstzweifel an ihm nagten, die
Reue ihn auffraß und natürlich auch oft genug die Angst vor der ungewissen
Zukunft über ihn hereinbrach, auch wenn er das nie zugeben würde.
Susannah
schlüpfte zu ihm unter die warme Decke. Sie hätte diese Melancholie, die so oft
wie eine schwere, finstere Wolke über ihm hing, am liebsten weggeküsst. Ihn in
die Arme genommen, damit sie ihn trösten konnte, und ihm mit ihren
Zärtlichkeiten neuen Lebensmut geschenkt. Doch er ließ es nicht zu, dass sie
ihn mehr als nur oberflächlich berührte. Zu schmerzhaft war für ihn der Gedanke
an die Zeit vor der Verletzung, als er noch vollends gesund gewesen war.
Sie
beugte sie sich über seinen Oberkörper und ließ ihren Zeigefinger langsam über
sein Gesicht wandern. Die Narbe auf seinem Kinn war kaum noch tastbar. An die
kurzen Haare hatte sie sich schnell gewöhnt, sie fühlten sich voll und weich
zwischen ihren Fingern an. Damals im Castle hatte er genießerisch die Augen
geschlossen, wenn sie ihn zärtlich berührt hatte. Doch heute sah er sie mit einem
dunklen Blick an, als sie durch seinen Schopf fuhr.
„Vor ein paar Monaten hattest du noch einen ganzen Kerl neben dir liegen”,
sagte er. Sie vernahm die dumpfe Verzweiflung in seiner Stimme.
„Die abgeschnittenen Haare machen dich noch lange nicht zum Schwächling.“
Mit festem Griff packte er ihre Hand und drückte sie gegen das weiche Fleisch
seines Unterleibs.
„Aber
die fehlende Manneskraft an dieser Stelle!“, stieß er hervor.
Susannah wusste, wie sehr ihm dieser Verlust zu schaffen machte, und es tat ihr
in der Seele weh, ihn so leiden zu sehen. Dabei war das beileibe nichts
Ungewöhnliches nach einer so schweren Verletzung.
Sie
versuchte, ihn zu beruhigen. „Du musst erst vollständig zu Kräften kommen, dann
wird das schon wieder.“
Ihre Hand wanderte von seiner Körpermitte weiter in Richtung Bauch, seine
feinen Haare kribbelten unter ihren Fingern.
Er gebot
ihrer Hand Einhalt, indem er sie am Gelenk festhielt, und drehte Susannah den
Kopf zu.
„Was
willst du denn mit einem Mann, der dich nicht einmal gebührend beglücken kann?“,
fragte er leise.
Wütend setzte sie sich im Bett auf. „Jetzt hör endlich auf mit diesem Unsinn.
Meinst du wirklich, darauf kommt es an? Glaubst du im Ernst, ich fühle mich nur
deswegen zu dir hingezogen? Wegen deiner Fähigkeiten als Liebhaber?“
Er
blieb stumm. Was sie erst recht aus der Haut fahren ließ. Warum glaubte er
nicht endlich, dass sie ihn als Mensch respektierte!
„Was
ist mit mir?”, fuhr sie fort, um ihn aufzurütteln. „Ist es nur mein Körper, den
du begehrst? Macht das meinen Wert aus?”
Er
drehte seinen Kopf langsam hin und her. „Susannah, ich habe meine Mutter, oder
die Frau, die
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