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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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die Menschheit vielleicht doch noch zu retten, kann nur aus der
Verzweiflung darüber stammen, dass sie eigentlich schon verloren ist. Und der
Wille, dies zu tun, wächst aus dem Ekel, den ein Blick in den CommCorder jeden
Tag erneuern kann.“
     
    Ich musste ihn reden
lassen, der mich beleidigte, ohne dass ich mich hätte wehren können, mir
Staatsgeheimnisse anvertraute, ohne dass ich darum gebeten hätte, und mein
Leben umkrempelte, ohne dass ich um meine Meinung gefragt worden wäre.
    „Ich werde die Passage
überleben. Mein Körper altert nicht mehr. Ich werde mehrere hundert Jahre alt.
Die geistigen und seelischen Auswirkungen sind nie erprobt worden. Schwer zu
sagen, ob ein Mensch es ertragen kann, seine Enkel und Urenkel sterben zu sehen
und dieses ganze biblische Leben in völliger Finsternis zu verbringen. So wie
der Körper zwangsläufig irgendwann Krebs hervorbringt, wird auch der Geist
irgendwann dem Automatismus der Depression verfallen. Gegen beide Gefahren gibt
es Mittel, aber sowohl der menschliche Organismus wie seine Psyche sind zu
komplex, um dauerhaft manipulierbar zu sein. Ich bin unsterblich. Aber was
nützt es, wenn die Menschheit unterdessen zugrunde geht? Ein Fortschritt wird
vom anderen aufgefressen.“
    Gilgamesch fiel mir
ein und seine Suche nach der Unsterblichkeit. Hätte der König von Uruk sich
diese Szene vorstellen können? Und die ganze Zeit saß Pâ stumm und unbeweglich
auf ihrem Schemel in der Dunkelheit. Das Ende des Gesprächs verliert sich in
den zerbröckelnden Fragmenten meiner Erinnerung. Gut möglich, dass ich auch
schon das Vorangegangene in seiner Chronologie durcheinandergebracht habe. Der
Gang der Argumentation war verwickelter, als ich es heute zu rekonstruieren
vermag. Habe ich alles notiert, was mir noch im Gedächtnis ist? Der brennende
Gestank des Schnapses steigt in mir auf, wenn ich mir die Nacht vor Augen rufe.
Es musste bereits früher Morgen sein. Vor dem Ereignis hätte es um diese Stunde
zu dämmern begonnen, als er von Kassandra sprach.
    „Haben sie das
Kassandra-Epos von Ezra Buckley gelesen? Großes Werk. Voll-kommen illusionslos,
darin liegt seine Größe. Auf seine Weise ist es so unerträglich wie de Sades
Geschichte der Justine. Was dort die nackte Grausamkeit, das radikal Böse,
moralisch gesprochen, das kein Widerlager, keine tröstende Gerechtigkeit kennt,
ist hier die völlige metaphysische Nacktheit, die mit allen Sinnkategorien und
Teleologien aufräumt. Er setzte das Ende der Menschheit noch zu seinen
Lebzeiten an, an der Schwelle zum 26. Jahrhundert der alten Zeitrechnung.
Später entzog er sich durch den Freitod der Negation seiner Prognosen. Man
hielt ihn für einen Wahnsinnigen, selbst seine Fürsprecher leugneten das nicht,
sondern interpretierten nur die Hellsichtigkeit des Propheten in seine
vorgebliche Verrücktheit hinein. Er war nichts weniger als verrückt, sondern
einer der wenigen Menschen, die der angeblichen Vernunftbegabtheit unserer
Rasse entsprochen haben. Bei ihm gibt es nichts mehr, keinen Gott, keinen Sinn.
Die Menschheit hat kein Ziel, der Einzelne keine Aufgabe. Es gibt ebenso wenig
eine Moral, wie der Einzelne eine Seele hat. Wir sind nur intelligentere Tiere.
Das Leben ist nur eine zufällige Zusammenballung der Materie, die sich zu
reproduzieren angefangen hat, ohne dabei lernfähig zu sein. Die Materie ist nur
geronnene Energie, die sich einer Explosion verdankt, über deren Ursachen wir
niemals etwas erfahren werden, weil jede Ursächlichkeit mit ihr erst begonnen
hat und weil nach der Ursache der Welt zu fragen so sinnlos ist, wie sich
Gedanken darüber zu machen, was vor dem Beginn der Zeit gewesen sein mag. Wir
wissen, dass die Explosion ewig andauern wird, da die expansiven Kräfte die
Gravitation überwiegen. Das Universum wird immer leer-er, kälter und dunkler.
Aber das kann uns gleichgültig sein, da es sich in zeitlichen und räumlichen
Dimensionen abspielt, die das Menschentum um etliche Zehnerpotenzen
übersteigen. Die Menschheit hat inzwischen alles auf eine Karte gesetzt. Sie
weiß, dass es nichts Ewiges gibt. Auch Sterne können erlöschen. Aber sie kämpft
um ihr Überleben und katapultiert sich selbst in den Frost des interstellaren
Raumes. Sie haben das Werk nicht gelesen, ich sehe es Ihnen an, deshalb will
ich Ihnen den letzten Satz zitieren, er ist aktuell: Das Bestreben, das
Universum zu verstehen, hebt das menschliche Leben ein wenig über eine Farce
hinaus und verleiht ihm einen Hauch von

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