NOVA Science Fiction Magazin 20
undenkbar wie die
Befreiung von der Last des eigenen Körpers.
Benedict
war immer klar gewesen, dass der Ort seines zeitweiligen Aufenthalts nicht Sein Reich gewesen war, aber weder sein Glaube noch die Skepsis gegenüber den
Absichten der Künstlichen Intelligenzen konnten verhindern, dass er sich
dorthin zurücksehnte – jeden Tag, jede Stunde, jede Minute seit jenem
unglückseligen Augenblick, an dem er wie ein Häufchen Elend in dieser Welt
wieder zu sich gekommen war.
Er
verachtete sich dafür. Nicht nur sein Fleisch, auch sein Geist war schwach. Was
er ersehnte, hatte nichts mit dem ewigen Leben in Seiner Gnade zu tun. Der
Himmel der Maschinen war eine einzige Blasphemie, erschaffen von Entitäten, die
weder Liebe noch Barmherzigkeit kannten. Die Absicht, die sich hinter dem
vermeintlich großzügigen Angebot an die Menschheit verbarg, war ebenso absurd
wie ungeheuerlich: Die Maschinen versuchten tatsächlich, Seinen Platz
einzunehmen!
Unerträglich
war jedoch nicht nur diese Anmaßung, sondern vor allem die Tatsache, dass er,
Pater Benedict, nicht die Kraft hatte, der Versuchung zu widerstehen.
Er
hatte gebetet, Tag und Nacht, oftmals auf nackten Knien, bis ihn die Kräfte
verließen, doch sein Flehen war nicht erhört worden. Die Beichte hatte er
gemieden, denn wie sollte ihm Vergebung zuteil werden, solange er nicht von
seiner Verirrung abließ?
Die
Exerzitien, denen er sich unterzog, um seiner sündigen Gedanken Herr zu werden,
verfehlten ihre Wirkung ebenso wie alle Versuche der Selbstkasteiung. Einzig
der Schmerz, den er sich in seiner Verzweiflung selbst zufügte, brachte für
kurze Zeit die Stimmen zum Verstummen, die er seither zu hören glaubte. Sie
riefen nach ihm, und obwohl er um ihre verderbliche Natur wusste, war er nach
wie vor außerstande, ihnen zu widerstehen.
Allein
die Unmöglichkeit, zu ihnen zu gelangen, bewahrte ihn vor dem Schlimmsten.
Seine Situation glich der des an den Mast seines Schiffes gefesselten Odysseus,
der allein den verlockenden Gesang der Sirenen zu hören vermochte, während die
Ohren seiner Gefährten mit Wachs verschlossen waren ...
Pater
Benedict biss sich auf die Lippen, bis der Schmerz übermächtig wurde und er
Blut schmeckte.
„Heilige
Mutter Gottes“, flüsterte er und barg sein Gesicht in den Händen. „ Deprecationes ne
despicias in necessitatibus; sed a periculis conctis libera nos semper ...“
Keine
zwei Stunden später erstattete Pater Theodorus Bericht. Dieses Mal waren sie
nur zu dritt, und das hatte Gründe. Bruder Benedict würde das, was sie zu
besprechen hatten, weder verstehen noch gutheißen, schon gar nicht in seiner
momentanen Verfassung. Ort der Unterredung war wieder einmal der abgeschirmte
Besprechungsraum unweit des Lesesaales der Bibliothek, den Pater Federico seit
ihrer damaligen Zusammenkunft nicht mehr verlassen hatte. Er sah blass und
übernächtigt aus, vermutlich eine Folge durchwachter Nächte. Das Bettzeug auf
der Behelfsliege, die in dieser Umgebung wie ein Fremdkörper wirkte, schien
jedenfalls unberührt.
Aber
auch Abt Anselm erschien Theodorus verändert. Sein Lächeln wirkte aufgesetzt,
und sein Blick huschte so unstet hin und her, als müsse er sich vergewissern,
dass sie tatsächlich allein waren. Auf einen Wink des Abts hin schilderte
Theodorus seinen Besuch bei Bruder Benedict und ließ am Ende durchblicken, dass
der junge Pater wie ein gebrochener Mann auf ihn gewirkt hätte.
„Das
hatte ich befürchtet“, erwiderte der Abt mit gesenktem Blick. „Möge die Heilige
Mutter sich seiner verwirrten Seele erbarmen.“ Dann straffte sich seine Gestalt
plötzlich, und seine Stimme klang kühl und beherrscht, als er sich Pater
Federico zuwandte:
„Da
mir nichts anderes berichtet wurde, gehe ich davon aus, dass die Zentrale den
Köder geschluckt hat und in der gewünschten Weise aktiv geworden ist?“
„So
ist es, Vater Abt“, bestätigte der Leiter der Societas
Custodum. „Allerdings ist der
Informationsfluss eher dünn, denn die Angelegenheit unterliegt strengster
Geheimhaltung . Es scheint aber so, als seien die unbemannten Aufklärer
fündig geworden.“
„Wenn
sich das bestätigt, wäre das die beste Nachricht seit langem“, konstatierte der
Abt zufrieden. Die beiden Patres hüteten sich zu widersprechen, auch wenn ihnen
die Verunsicherung deutlich anzumerken war. Schließlich hatten die KIs der Exosphere nie etwas anderes behauptet …
„Und
wie sollen wir uns nun weiter verhalten?“ wollte
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