NOVA Science Fiction Magazin 20
röteten sich. „Frau Traut. Welche Ehre.”
„Halts
Maul!”
Mühsam
kämpfte Miller sich zu einem schmallippigen Lächeln.
„Eine
ganz schön freche junge Frau. Meinst du nicht auch, Luz?”
Derman
fuhr aus seinen Gedanken hoch und nickte heftig. „Natürlich, Doktor.”
Ich
bemerkte den unterwürfigen Klang von Dermans Worten; noch mehr irritierte mich,
dass Miller Derman duzte, während dieser ihn mit seinem Titel ansprach.
„Wir
werden Sie schon noch erziehen, Fräulein.” Millers Worte, die wie das Gerede
eines zweitklassigen Hauptschulpädagogen klangen, spritzten mit bösartigem
Zynismus aus seinem Mund.
Lisa
indes war nicht beeindruckt. „Lutsch meinen Schwanz, du Windelfetischist!”
Miller
grinste debil. Konnte Lisas Spruch, mit dem sie sich selbst geschnitten hatte,
seine Abneigung überhaupt noch steigern?
„Das
ist eine interessante biologische Anomalie. Doch, um in Ihrem Gossenjargon zu
bleiben: Ich lutsche keine Frauenschwänze.“
„Dafür
brauchen Sie sich nicht schämen. Also lieber den von Doktorchen?”, konterte
Lisa ihn aus.
Verständnislos
starrte Miller sie an. Ich schüttelte den Kopf, öffnete die Tür und manövrierte
Lisa, die nun in brüllendes Gelächter verfiel, aus dem Blickfeld der zu Säulen
erstarrten Männer geradewegs auf meine Behandlungscouch.
Nachdem
Lisa sich wieder beruhigt hatte, wollte ich endlich ein seriös-analytisches
Gespräch mit ihr beginnen.
„Nun
denn. Beschreiben Sie sich doch ein wenig.”
„Können
wir das nicht irgendwo anders machen?”
„Wo
denn?”
„Im
Garten!”
Das
Institut verfügte über eine kleine Parkanlage, die in einer Ellipse um das
Institut herum führte. Gespräche im Freien zu führen, war allerdings höchst
unorthodox und kam für mich nicht in Frage.
„Frau
Traut, das entspricht nicht den Regeln.”
„Welchen
Regeln?”
„Denen
dieses Instituts.”
„Dann
brechen wir sie eben!”
Nun
waren Lisa und ich also schon beim Wir angekommen.
„Frau
Traut, wenn Sie einen Ausgang wünschen, müssen Sie ihn bei Professor Jung
beantragen. Fortschritte in unserem Edukationsgespräch wären eine gute
Empfehlung, damit Ihr Anliegen genehmigt wird.”
„Kein
Problem!”
„Also:
Bitte beantworten Sie meine Frage.”
„Welche
Frage?”
Warum
fiel es mir so schwer, in Lisas Gegenwart nicht permanent meine Hände – unter
dem Schreibtisch – zu Fäusten zu ballen?
„Ich
bat Sie, sich ein wenig zu beschreiben.”
„Kevin,
ich sitze doch vor Ihnen!”
„Doktor
Grau.” Ich musste meine Kollegen bitten, mich vor Edukanten nicht beim Vornamen
anzureden. „Bitte beschreiben Sie Ihren Charakter.”
„Ich
bin ein lebendes Analogon zu einem Parkplatz im Halteverbot.”
„Erläutern
Sie das, bitte.”
„Wer
auf mich steht, begibt sich in Abschleppgefahr!”
Lisa
lachte laut auf über ihren eigenen Witz. Ich verarbeitete den krummen Vergleich
und muss dabei recht nüchtern gewirkt haben.
„Lachen
Sie doch mal!”
„Warum?”
„Das
war ein Witz! Halteverbot! Abschleppgefahr!”
„Verstehe.”
Staub kitzelte in meiner Nase, und ich musste niesen. In Gedanken verdammte ich
Frau Müller.
„Gesundheit!“
„Danke.“
„Können
wir jetzt bitte in den Garten!”
„Nein!”
„Gut.“
„Wenn
Sie sich nicht beschreiben wollen, dann erzählen Sie mir doch stattdessen mal,
warum Sie im Fahrstuhl des Miltonhotels betrunken, nackt und mit einem
‚Kleidung ist was für Spießer!’-Schild in der Hand verhaftet wurden.”
„Nein.“
„Doch!”
Mir trat der Schweiß auf die Stirn.
„Geht
nicht.”
„Warum?”
„Die
Zeit ist um!”
Tim
öffnete mir die Tür. Er sah verstört aus.
„Hi
Paps.”
„Alles
in Ordnung, Tim?”
Er
antwortete nicht.
„Wo
ist deine Mutter?”
„In
der Küche.”
Ich
legte den Mantel ab und öffnete die Küchentür. Eva saß am Esstisch und ritzte
mit einem Kartoffelmesser gitterförmige Muster in ihren Unterarm.
„Was
machst du da?”
„Was
denn?”
Ich
fuchtelte mit den Armen. „Du verletzt dich!”
„Ach
so, das.”
„Warum?”
„Kevin,
hast du dich schon mal gefragt, ob Sterben schön ist?”
Nun
begriff ich, was hier passierte. „Nur weil die Forschung auf dem Stand ist,
dass es das Paradies wirklich gibt, brauchen wir doch nicht unsere Existenz auf
Erden vorzeitig zu beenden!”
Sie
entrückte mit jeder Faser ihres Körpers. „Aber dort ist bestimmt alles
schöner!”
Ich
setzte mich auf den Stuhl neben meiner Frau und
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