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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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habe sie sich seit dem Morgen in einen Kühlschrank
verwandelt.
    „Schatz,
deine Krawatte.”
    „Was
ist denn mit meinem Baumwoll – mit meiner Krawatte?”
    „Was?”
    „Du
hast mich etwas gefragt, Liebling.”
    „Was
denn?”
    Ich
spürte, wie sich ein Kloß, groß und hart wie eine Faust, meine Kehle hochschob.
    „Wie
war es in der Kirche?“, fragte ich.
    „Großartig:
Der Pfarrer hat uns heute die neuen Gebote vorgelesen.”
    „Die
neuen Gebote?”
    „Die
Gebote Lindams.”
    „Das
ist nicht dein Ernst?”
    „Warum
nicht?”
    Ich
dachte an eine Irrenanstalt, groß wie die Staaten, in die alle Gläubigen
eingewiesen wurden, zuvorderst Lindam.
    „Was
sagt Pfarrer Paul dazu, dass du rauchst?”
    „Er
sagte, eine kleine Sünde dürfe sich jeder Mal erlauben. Eben deshalb gebe es
schließlich die Sonntagsbeichte.”
    „Verstehe.
Was ist das überhaupt für eine Marke?”
    „Sin
for Jesus.”
    „Kenne
ich gar nicht.”
    „Ist
neu.”
    Ich
wandte mich ab, ließ mich auf die Couch fallen, griff nach der Fernbedienung
und schaltete den Fernseher ein. Während die Kennmelodie der Abendnachrichten
lief, kam Tim angerannt und setzte sich neben mich.
    „Hi
Paps!”
    „Na
du. Gib deinem Papi einen Kuss!” Ich beugte mich vor. Tims Atem war faulig wie

    „Liebling,
hat unser Junge geraucht?”
    „Ja,
Schatz.”
    „Der
Junge ist acht Jahre alt!”
    „Das
macht doch nichts, der Himmel ist ihm gewiss!”
    Für
einen Moment setzte mein Atem aus. Tim vertiefte sich in sein Buch und ich in
die Nachrichten. Natürlich war die Verifizierung das Thema des Tages. Präsident
Plan sprach in einer ersten Stellungnahme von einer konsequenten Entwicklung,
die die Amerikaner und auch der Rest der Welt sich verdient hätten.
    Gläubige
aller Nationen feierten die Entdeckung, pilgerten gen Lindam oder brachten sich
– um die Sünde Selbstmord zu umschiffen – gegenseitig um.
    Sie
bringen sich um!
    In
einem weiteren Bericht ging es um eine Entführung. Die Kidnapper des kleinen
Bob drohten den Eltern damit, ihn nicht zu töten – bekämen sie nicht innerhalb
von 48 Stunden das geforderte Lösegeld, würden sie ihn auf Eis legen. Schnitt
und Einblendung der verzweifelten Eltern, die tränenreich um Gnade baten: Die
Entführer sollten in sich gehen und dem frommen Bob nicht den Weg ins Paradies
verbauen. Es folgten die Wettervorhersage, der Abspann und Werbung, in der eine
Nonne die Sin for Jesus -Zigaretten anpries.
     
     
    Noch
immer fassungslos schleppte ich mich am nächsten Morgen in mein Büro. Vor der
Tür traf ich Derman. Nach meinem Erstgespräch mit Lisa Traut war nur eines
allzu offensichtlich: Sie könnte einer der seltenen Problemfälle werden. In
etwa dreißig Minuten stand ein Termin mit ihr an, und etwas wühlte sich,
synchron zum Zeigerschlag der Uhr, durch meine Magenschleimhaut.
    „Morgen
Luz”, begrüßte ich Derman, der unschlüssig vor meiner Tür stand und tatsächlich
noch blasser war als sonst. „Kann ich dir weiterhelfen?”
    „Morgen
Kevin. Ja, du kannst mir weiterhelfen.” Er senkte den Blick, als müsse er in
sich gehen, um dort zu suchen, was ihn zu mir getrieben hatte. Schließlich sah
er mich unverwandt an und sagte: „Es geht um deine neue Edukantin.”
    „Lisa
Traut?”
    „Ja.”
    „Was
ist mit ihr?” Erstaunt stellte ich fest, wie souverän ich mich doch dumm
stellen konnte.
    „Miller”,
Derman sprach den Namen sonderbar weich aus, „sagt, sie sei eine Nummer zu groß
für dich.”
    Zu
diesem Zeitpunkt war diese Behauptung nicht nur überheblich, sondern auch
verfrüht.
    „Woher
will er das wissen?”
    Die
triviale Frage schien Derman zu verblüffen.
    „Sie
hat ihm die Nase gebrochen”, raunte er.
    „Ich
weiß. Na und?”
    „Kevin,
versteh doch, sie …”
    Bevor
Derman den Satz zu Ende sprechen konnte, erklangen Schritte aus Ost- und
Westflügel. Wie in einem Slapstickstreifen wandten Der-man und ich die Köpfe
und guckten blöd, als Miller von rechts kofferschwenkend auf uns zu stolzierte
und Lisa von links mit beschwingtem Schritt heran tanzte. Ihr folgte Markus,
einer der Wächter, auf den Fersen. Wir standen im Kreis vor meiner Tür. Ich
blickte Lisa kurz in die hellwachen Augen, sah die Lachfalten und eine winzige,
sichelförmige Narbe über der linken Braue. Sie registrierte meinen Blick mit
einer leicht spöttischen, aber dennoch nicht unfreundlichen Grimasse.
    Hinter
dem bandagierten Nasenbein konnte Miller seine Wut nicht ganz verbergen - seine
Wangen

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