NOVA Science Fiction Magazin 20
aus fahler Haut. Seit ihrer Einweisung war sie nur
entweder in ihrer Kabine oder in meinem Büro gewesen.
„Sie
haben Recht. Was mir fehlt, ist frische Luft. Kommen Sie!”
Nachdem
ich die verdutzte Lisa aus dem Büro geschoben hatte und wir an den nicht minder
erstaunten Wachbeamten vorbei den Ausgang ins Freie passiert hatten,
schlenderten wir Seite an Seite durch die Spätsommerwärme. Als seien wir ein
Weckruf gewesen, lebte es um uns herum auf. Honigbienen summten, Fensterläden
ächzten, Lilien und Tulpen bebten im Westwind. Ich schwieg andächtig.
„Vielen
Dank”, sagte Lisa.
„Keine
Ursache.”
„Okay.”
Wie
sie so neben mir herging, fantasierte ich, sie bei der Hand zu nehmen.
Tatsächlich streckte ich meine Hand aus, zog sie schnell zurück. Lisa hatte es
bemerkt, und so versuchte ich es mit einem Lächeln zu überspielen, doch es
gelang mir bloß eine gequälte, krampfhafte Grimasse.
„Ihnen
geht es nicht gut, oder?”
Ich
schwieg. Mir war, als könnte ich all das, was ich nicht ertrug, nicht mehr für
mich behalten, als müsste ich die Dinge, die ich nicht verstand, jemandem
erzählen, der sie mir erklären konnte.
„Eigentlich
schon”, sagte ich schließlich.
„Und
uneigentlich?“
Ich
ließ meinen Blick über die Pflanzen am Rand der asphaltierten Schneise
schweifen, als könne ich so Lisas bohrenden Blick einfach abschütteln. Ich
durfte mit ihr nicht über mein Privatleben reden. Sie war meine Edukantin, ich
war der Edukator. Wir hatten auf Distanz zu bleiben.
Lisa
wartete meine Antwort nicht ab. „Gibt es einen Ort, zu dem Sie gehen, wenn
Ihnen die Welt unerträglich scheint?”
„Lisa
…” Meine Selbstbeherrschung bröckelte.
„Kommen
Sie, erzählen Sie schon!”, sagte sie fröhlich.
„Im
Grunde bin ich nur hier oder bei meiner Familie.”
„Sie
haben Kinder?”
„Einen
Sohn.”
Sie
nickte. „Lieben Sie Ihre Frau?”, fragte sie unbekümmert.
Verwundert
stellte ich fest, wie die aufkeimende Entrüstung sich rasch verflüchtigte. Tim,
Eva, ich – war das Glück nicht schon längst gewichen? Fehlte vielleicht die
Liebe in unserem Leben?
Lisa
blickte mir ins Gesicht, sah meine Verwirrung und wechselte das Thema. „Ich
will unbedingt einmal mit Linie Zwölf vom Kosmodrom zum Mars.”
Das
Kosmodrom war ein im vorletzten Jahr eingeweihter Raumhafen. Erbaut wurde es im
Flussbett des Hafens, das direkt nach dem Krieg infolge der Reparationen
eingedämmt und trockengelegt werden musste. Der verwachsene Untergrund wurde
betoniert. Und weil der nach seinem Erfinder benannte Imasantrieb 2038 in
Produktion gegangen war, stand dem Kosmodrom – trotz seiner geographischen Lage
– nichts mehr im Weg.
Lisa
strahlte, während sie von Flügen in den Raum, eng anliegenden Raumanzügen und
dem Leben in einer neuen Welt träumte. Ich sah ihr in die Augen, nickte und
verstand doch kaum ein Wort; wohl auch deshalb, weil ich immerfort über Eva und
Tim nachdachte.
Lisa
bemerkte es, ging etwas schneller, baute sich vor mir auf, legte den Kopf in
den Nacken und lächelte mich warm an. Ich fühlte mich hilflos.
„Ich
weiß, Sie sind der Doktor, und das ist ein Eduka … ein Erziehungsgespräch.
Aber wenn Sie mal jemanden brauchen, der Ihnen den Schreibtisch abwischt, Sie
umarmt oder mit schlechten Witzen nervt …”
„Bitte
nenn mich doch Kevin, Lisa.”
„Oho,
der Herr kommt aber schnell zur Sache!”
Die
letzten Meter erstaunte ich mich selber: Ich redete freiherzig, witzelte und
lachte. Es amüsierte Lisa, sie stimmte mit ein. Erst am Institutseingang stellten
wir uns seriös, damit die Wärter nichts merkten.
Ich
genoss die ungezwungenen Minuten; eben genauso lang vergaß ich den Irrsinn, der
mein Leben überschattete und dem doch irgendwie beizukommen sein musste.
„Eva,
das muss aufhören. Das ist doch Wahnsinn!”
Eva
und ich saßen in der Küche. Tim hatten wir unter dem Vorwand, wir würden morgen
in aller Frühe etwas erledigen müssen, ins Bett geschickt. Sie saß mir
gegenüber, nippte an einem Glas Weißwein, rauchte eine Sin for Jesus und
wirkte nicht nur abwesend, sondern auch gelangweilt.
„Schatz,
du bist es, der sich hier der Häresie hingibt”, sagte sie.
„Ich
behaupte doch nicht, dass ich die Existenz eines Lebens nach dem Tod
grundsätzlich anzweifle.”
„Aber
du bist Wissenschaftler. Wie kannst du eine wissenschaftliche Erkenntnis
negieren, die empirisch bewiesen wurde?”
„Schau
dir doch die Dokumentation des Versuches
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