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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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Verifizierung nun fast täglich mit sich brachte. Es war nur
eine Frage der Zeit, bis der Wahnsinn zu einer Bedrohung für uns alle, gläubig
oder nicht, werden würde.
    Eine
Frage der Zeit?
    Als
ich in die Einfahrt unseres Hauses einbog, schnürte sich meine Kehle zu.
Nirgendwo im Haus sah ich Licht. Ich stieg aus meinem Wagen, vergaß dabei die
Tür zu schließen und hechtete zum Eingang, während ich noch in meiner
Jackentasche nach dem Schlüssel suchte. Erregt und der Panik nahe, zitterte ich
am ganzen Körper, der Schlüssel fiel mir aus der Hand. Ich klingelte Sturm. Es
blieb still.
    Ich
bückte mich, griff nach dem Schlüssel, zwang mich zur Ruhe und öffnete die Tür.
    Kalter
Rauch schlug mir entgegen. Wie ferngesteuert schaltete ich das Licht ein,
schleppte mich in die Küche und fand den Brief auf dem Tisch. Ich wisse
nicht mehr, was gut für diese Familie sei, schrieb Eva, und deshalb werde sie
nicht weiter zögern, mich verlassen und gemeinsam mit Tim den Weg in die
Bessere Welt antreten.
    Es
vergingen mehrere Minuten, in denen ich einfach nur dastand und auf die lieblos
geschmierten Buchstaben, die vor meinen Augen verschwammen, starrte.
    Erst
dann brach ich zusammen.
     
     
    Es
wurde Nacht, und ich lag immer noch auf dem kalten Küchenboden, starrte zu den
Pfannen auf den Regalen, den Weinflaschen, den Kochbüchern; im Fenster erschien
der zunehmende Mond, und ich zählte die Sterne; sobald ich bei hundert
angekommen war, wollte ich mich zusammenreißen und aufstehen. Was ich dann
machen wollte, lag hinter einem Schleier. Ich war zwar nicht bewusstlos, doch
trieben die Zeigerschläge keine Kraft in meinen Körper. Die Zeit verstrich
einfach so, der Himmel blieb leer und offenbarte keinerlei Reaktion auf die
menschlichen Versuche, ihn für die Gläubigen zu erobern. Im Fenster zeigten
sich bloß eine Handvoll Sterne, die den Mikrokosmos meines Blickfeldes
erhellten; trotzdem zählte ich, drehte mich im Kreis, überrundete mich selbst
und hievte mich endlich - ich war bei 250 angelangt - auf die Beine. Nichts
wünschte ich mir mehr, als mich gleich wieder hinzulegen, nie wieder
aufzustehen, einfach nur weiter zu zählen, und darauf zu warten, bis es vorbei
war. Doch gelegentlich lupfte eine Hand den Schleier, durch den ich die Welt
betrachtete, und zum Vorschein kam Lisas Gesicht. Mal war es das Gesicht, das
sich aus meinem Büro stahl, lächelnd, grimassierend. Schnitt, neue Einblendung:
Ich sah blutende Löcher an ihren Schläfen.
    Ich
zog meinen Mantel an, steckte den Wagenschlüssel ein und öffnete die Tür; doch
dann hielt ich, die Klinke in der Hand, inne; ich zog die Tür wieder zu und
drehte mich um. Wie der Kapitän eines sinkenden Schiffes schien der kalte Rauch
die Stellung halten zu wollen. Ich schlich ins Wohnzimmer und blickte an die
Wände; betrachtete die Fotos aus vergangenen Tagen: Tim mit der Schultüte,
eingerahmt von Eva und mir. Wir beide platzten schier vor Stolz. Ein anderes
zeigte, wie Eva und ich das Standesamt verließen, Hand in Hand, sie im weißen
Brautkleid, ich in Anzughose und Jackett.
    Ich
wollte einfach nicht loslassen. Und so stieg ich die Treppe hinauf und griff
mir aus unserem Schlafraum einen Koffer. Ich stopfte hinein, was ich in die
Finger bekam und mir wichtig erschien: Bilder von Tim und Eva; Tims Stofftiere
und eines seiner Bücher. In seiner Wäschebox fand ich ein getragenes T-Shirt.
Ich hielt es vor mein Gesicht und atmete tief ein, dann packte ich es zu den
anderen Dingen in den Koffer. Am Ende meines Rundganges war der Koffer voll.
Ich verließ das Haus und setzte mich in den Wagen. Als ich die Einfahrt hinab
rollte, war mir fast, als müsse ich winken oder sonst ein Zeichen von mir
geben. Im Rückspiegel schrumpfte das Haus und verschwand schließlich ganz.
    Ich
parkte den Wagen einen kurzen Fußmarsch vom Institut entfernt. Der
Personalparkplatz schien mir zu riskant. Vielleicht gab ich mich auch nur einer
Paranoia hin, immerhin war es kurz nach zwei in der Nacht. Außer den
Nachtwächtern war um diese Uhrzeit niemand im Haus. Sollte mir jemand über den
Weg laufen, würde ich vorgeben, etwas in meinem Büro vergessen zu haben, oder –
falls ich auf dem Weg in den Kabinenblock entdeckt werden würde – ich müsse
einen meiner Patienten umgehend lobotomisieren, Befehl von oben.
    Es
war einfach krank. Und bald war es vorbei.
    An
der Drehtür stand Wachmann Gregor und rauchte eine Zigarette. Er wirkte nicht
allzu überrascht, mich um diese Uhrzeit zu

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