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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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weiß,
wurde er von Turbulenzen erfasst, die an seinen Federn zerrten, ihn rüttelten
und fallen ließen:
    Sturzflug.
    Die
Strömung war abgerissen, er taumelte, fiel wie ein Blech der Erde entgegen,
zitterte, flappte, bis er die Schwingen endlich einzog. Scharniere krachten,
eine Schiene sprang weg, wirbelte an ihm vorbei, bevor er die Arme um den
Brustkorb schlang.
    Federn
flatterten; er legte seine Beine zusammen, sammelte Kraft, hoffte auf den einen
Moment, jetzt stemmte er sich gegen den Fall, breitete die Flügel aus, und ein
Windstoß packte ihn, zog ihn empor. Rorron stieg; zerbrechlich, doch er stieg.
„Seht ihr das“, triumphierte er und lachte. „Ich bin unzerstörbar!“
    Schnell
flog er eine Kurve, den Gipfel als Fixpunkt, und glitt im steten Hangwind
dahin. Es war ruhiger geworden, sanfte Luftzonen, denen er folgte. Hinter dem
Gletscher ein frischer Auftrieb, und so erreichte er den Grat, meisterte ihn,
ließ den Felsrücken hinter sich – jenseits davon grüne Anhöhen, Wind in den
Halmen, die flüsterten, wogten. Dann im flachen Bogen abwärts.
    Die
Flügel kippelten, weil ihn die kühle Luft nicht länger trug, und so wählte er
sein Ziel aus, einen Hügel, abgeflacht und mit Korn bewachsen. Rorron stellte
die Federn quer, ächzende Bolzen, als die Thermik nachließ – sackte weg,
pendelte kurz wie schwerelos und landete in einer Senke, ein Bein voraus;
rannte, um den Restschwung zu tilgen. Er klappte die Schwingen ein, stand
aufrecht. Welch ein Flug! Begeistert drehte Rorron den Metallkopf hin und her
und betrachtete die neue Gegend, den Himmel, die Berge, das Gras, erkannte, was
er von oben schon gesehen hatte …
    Und
lief los.
    Leicht
bergan, nicht weit entfernt, spaltete eine Windmühle das Licht, erst ein
Flittern, sonnenhell; doch als Rorron ankam, sah er die tuchbespannten Flügel
kreisen – ein Rundbau, in Lehm gemauerte Kiesel, oben eine bewegliche Haube,
die über Windrosen zum Wind gedreht wurde. Die Tür stand weit offen, drinnen
das Rumpeln der Zahnräder, und Rorron wollte hingehen, eintreten, als eine
silberne Stimme ihn rief: „Komm her zu mir, Maschinenkind.“
    „Teufel
auch.“ Er schaute nach links, wo ein kleiner Acker lag, ein Haferfeld, und im
Graben zwischen beiden stand ein Schemen, der ihn eifrig zu sich winkte.
    „Wer
bist du?“
    „Wer
bin ich?“, lachte die Gestalt, ließ daraufhin das Ärmchen sinken, stieg aus der
Furche und verharrte, reglos, stumm, wie abgeschaltet.
    Vorsichtig
trat Rorron näher, prüfte ihn von allen Seiten, die überlangen Arme aus Holz –
und den Bronzekopf, von grüner Patina belegt, weil er antik war, ein Relikt:
    „Ein
Baumeister“, schloss der Titan und ließ erstaunt die Hände schweifen. „Hast du
das hier gemacht? Oder wer hat dir geholfen?“
    Keine
Antwort.
    Erst
jetzt fielen ihm die Dellen an der Schädelplatte auf; der verbeulte Nacken, und
Risse klafften bis zum Ohr, spärlich von einem Flicken geschützt, der, halb
verrutscht, eine offene Stelle preisgab, Federn, Rädchen – und den Kristall,
eisblau, wenn er flackerte wie Gaslicht, glomm:
    „Mag
sein“, sagte Ava leise. „Ich träume davon, und es geschieht.“
    „Was
soll das heißen, mein Freund? Erinnerst du dich nicht?“ Rorron starrte in die
Augenschlitze, leerer Schatten, und auf die bronzenen Lippen … kein Zucken,
nichts. Mehr Zeit verstrich, ehe Ava das Kinn hob und steif und sperrig die
Schultern bewegte. „Hier bin ich also aufgewacht, obwohl ich träume, immerzu.
Ich sehe Feuer, alles brennt.“
    „Rede
doch!“, heulte Rorron und packte ihn mit beiden Händen.
    „Was
treibt dich an?“
    „Der
Wind … ja.“ Verloren sah er zum Himmel auf: ein paar Quellwolken, wie Schafe
gebauscht, leicht, dass die Sonne hindurchblinzelte. Das endlose Blau. „Ein
Sturm zieht auf. Wir müssen die Mühlensegel reffen.“
    „Unsinn“,
sagte Rorron, selbst aufblickend. „Wieso …?“
    „Ich
weiß es halt“, gab Ava zurück. „Ach, es gibt zu tun.“ Er neigte den Kopf, löste
sich von ihm, lief zur Mühle, stracks, ohne zurückzublicken.
    „Jetzt
warte“, rief der Titan ihm hinterher. „Ich habe viele Fragen.“
    „Später,
Freund.“ Die Windrosen hatten die Haube nachverstellt; längs, am Eingang
kreiste das Flügelkreuz. Ava hielt inne – wartete, um eine Lücke abzupassen, schlüpfte
dazwischen, betrat den Bau. „Hilf mir.“
    Rorron
folgte; die Tür war zu schmal, er wollte seine Flügel einklappen, aber die
Mechanik blockierte, also blieb er

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