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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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kam schon zurückgeeilt, einen Kasten unterm Arm, den er
öffnete, eine Zange herausnahm und das defekte Scharnier zurechtbog. „Es fehlen
Schrauben, das ist nicht schlimm“, sagte er lächelnd. „Flieg, Vogel, flieg.“
    „Gut“,
antwortete Rorron, auf die Windmühle zeigend. „Könnte ich bleiben, bis das
Gewitter vorbei ist?“
    „Ach
ja“, lachte Ava. „Sei mein Gast.“
    „Ich
danke dir.“
    Gemeinsam
betraten sie den Rundbau; und Ava löste die Bremse, setzte das Mahlwerk in
Tätigkeit, ehe er den Webstuhl benutzte: Auf dem Schemel breitete er die Arme
aus, links, rechts, wo echte Schützenkästen fehlten, die Lederbänder, die
Holzklötzchen, um das Schiffchen durchs Fach zu schießen. Welle und Laufrad
soweit vorhanden, aber der Riemen nicht angelegt, weil Teile des Rahmens
schadhaft waren; also schubste er das Schiffchen per Hand durch die Kettfäden,
kein schönes Muster, nur Leinwand, ein solider reißzäher Stoff, weißgrau. Die
Rolle im Schützen surrte, die Schäfte klapperten; und als das Fach aufsprang,
jetzt, jetzt, und das Schiffchen hindurchsauste, entstand ein wenig Breittuch,
auch für die Segel der Mühle.
    Hinter
ihm stand der Titan, sah zu, aber nur kurz, bevor er sich bückte, einen
Holzstab aufnahm, damit ausholte und hart auf seinen Kopf drosch, dass es
klirrte. Wie eine Marionette mit durchtrennten Fäden klappte Ava nach vorn,
rutschte seitlich, schlug auf.
    „Es
tut mir leid … mein Freund.“ Kurz prüfte Rorron, ob der Kristall noch brannte:
schwarz; also lief er hoch zur Galerie, streckte sich, griff mit beiden Händen
aus, um das Kronenrad zu nehmen, riss es weg – und das Getriebe, Bunkler,
Welle, trudelte zu Boden, splitterte; Holzspäne flogen.
    Rorron,
wieder unten, stellte das Rad auf den Rand, rollte es in den Wind hinaus … ein
toller Fund! Draußen, bei Tageslicht, bemerkte er die feine Gravierung: kein
Kratzbild, sondern antike Schrift, die er nicht lesen konnte. Mit der Handfläche
wollte er ein wenig Holzmehl abwischen, da krachte es. Rorron sah auf – und
strauchelte:
    Das
Gewitter, sehr nah. Bedrohlich stand es über den Bergen, hatte sich zum Amboss
aufgetürmt – Blitze, ein Grollen; und die Wolken flackerten bleich und kalt,
ein Geisterlicht, knochenweiß. Böen fegten über den Hügel, zerwühlten den
Hafer; die Halme brausten. Erste Tropfen, dann brach der Himmel auf und
Starkregen prasselte auf den Fels. Donner rollte über das Bergland, verhallte.
Wieder ein Blitz! Bäume am Hang, sturmgepeitscht.
    Die
Schafe brüllten.
    Und
auch das Zahnrad schien zu schreien, klagte ihn an. Schaudernd trat Rorron
zurück, hob abwehrend die Hände. „Nein, nein.“ Was hatte er getan! Bloß nicht
mehr die Mühle anschauen, doch ein Geräusch zwang ihn, den Kopf zu wenden: eine
Regung im Schutthaufen, ein Stöhnen, eine Hand, die ein Bruchstück umklammerte
– und Rorron packte das Grauen. Fort von hier. Nur weg!
    Sein
Kinn ruckte hoch. Vögel, oben am Himmel, hin und her geworfen, taumelnd; aber
sie trotzten den Elementen, flogen auf der Stelle, um dann, von einem mächtigen
Aufwind erfasst, pfeilschnell in die Höhe zu gleiten, derweil eine Böe auch
seine Flügel anblies. Er wagte es. Stürzte sich, das Rad in den Pranken,
kopfüber in die Tiefe, fiel und fiel, ehe die Thermik ihn auffing und zum Sturm
schleuderte. Rasend schnell kam die Regenwand näher, bronzen am Rand – im
Zentrum so düster wie das Maul eines Riesen, das Rorron ansaugte. Turbulenzen
umwehten ihn; nur mit Not konnte er die Flugbahn halten. Eisige Kälte. Hagel
prasselte auf ihn ein, klickerte. Und plötzlich war er mittendrin, hörte die
Elemente singen, die Energie! Violette Ströme fauchten über seine Schwingen,
vom Metall gespiegelt, nass verschmiert, und verpufften.
    Dann
der Blitz!
    Für
einen Augenblick blind, überhell alles, als wäre ein Kessel geplatzt,
verstellte Rorron die Flügel falsch, drehte sich, fiel, während das Gewitter
bollerte und stampfte.
    Wieder
ein Knistern, und das Zahnrad wurde so heiß, dass Rorron die Hände öffnete –
seine Beute fallen ließ: eine Sternschnuppe, die aus den Wolken fiel, an den
Hängen vorbei, den Bäumen, die rauschten, tiefer, um mit schäumender Fontäne im
Bergsee zu versinken.
    „Nein!“,
schrie Rorron, bevor ihn der Blitz traf. Er sackte weg, schlug Salti in der
Luft, driftete, rollte, raste auf die große Maschine zu; pendelte mit den
Flügeln, kippte. Als rotblauer Feuerball krachte er aufs Plateau, überschlug
sich, und

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