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Nova

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Titel: Nova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Kober
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Schächte, Winkel, Schläuche und sonstige Verbindungsformen jeglicher Art und Größe durchzogen kreuz und quer die gesamte Konstruktion, ohne sich in irdische Vorstellungen von oben und unten zu halten. Es war ein Irrgarten.
    Obwohl wir Eileens Besatzungshypothese offiziell abgelehnt hatten, suchten wir nach Spuren fremder Erbauer. Doch in Anbetracht der extrem chaotischen Bauweise erschien es uns als immer unwahrscheinlicher, daß sich irgendwo Intelligenzen aufgehalten haben konnten. Vielmehr mehrten sich die Stimmen derer, die ein Automat-Schiff annahmen.
    Die Kybernetiker modellierten alles Bekannte auf einem Rundsicht-Monitor, in verkleinertem Maßstab natürlich, aber auch darauf fanden wir uns nur mit Mühe zurecht.
    Wäre das Gebilde nicht aus Metall gewesen, ich hätte darin ein wundersames Gewächs von gigantischem Ausmaß vermutet, in dessen Innerem wir umherirrten.
    Wir fanden immer seltsamere Elemente: Metallmatten, bürstenartig oder mit runzligen Warzen bedeckt, die frei an Kugelstalaktiten hingen; Kristallquader verschiedener Größen, in denen eine quasibiologische Flüssigkeit in einem Hohlraumsystem quoll; Behälter mit körnigem Quarzstaub oder mit organischen Plasten. Dann gab es Kreuzgitter, in deren Zentren winzige Kugeln in durchsichtigen Rohren hin und her rollten, oder wild wuchernde Wälder beweglicher und starrer Vanadiumfäden. Es gluckste und summte, knackte und gab undefinierbare Töne von sich.
    Die unerklärlichen Details luden uns anfangs mit Spannung und Abenteuerlust auf, unsere Deutungsversuche befriedigten den Drang nach Konfrontation mit dem Unerklärlichen. Doch wir ermüdeten bald, von Tag zu Tag mehr. Selbst die erregendste Entdeckung ließ uns kalt; wir stumpften schließlich ab, denn durch alle neuen Informationen zog sich die alte Leier: Keine Erklärung möglich.
    So ist es nicht verwunderlich, daß unser Elan rasch abnahm, weil die Arbeit zu quälender Routine verkümmerte. Die Schritte unserer Strategie wurden immer kleiner, bis uns schließlich bewußt wurde, daß wir auf der Stelle traten, obwohl wir uns äußerlich noch emsig beschäftigten.
Bis dann plötzlich Perry verschwand.
    Ich war an diesem Tag mit Eileen unterwegs; hatte es so eingerichtet während der Routinekontrollen der HTA, daß ich nicht mit Lech, sondern mit ihr in einer Zweiergruppe tätig war, bemüht, einen Schleier über mein Tun zu legen. Die anderen sollten meine Absicht nicht bemerken.
    Ich hatte es schon vorher einige Male versucht, doch das war der einzige Tag, an dem es mir gelungen war. Aber ich hatte einen schlechten Zeitpunkt gewählt. Eileen blieb von meiner zuvorkommenden Freundlichkeit unbeeindruckt und kümmerte sich nicht um meine verdeckten Annäherungsversuche. Genauer gesagt, ich erhielt eine Menge patziger Antworten.
    Heute frage ich mich, weshalb habe ich mich so unbeholfen, ja dumm benommen? Warum habe ich ihr meine Zuneigung nicht offen gezeigt? In einfacher und natürlicher Art? Hat der Mensch ein Ziel, dann soll er es verfolgen mit aller Kraft und nicht warten, bis die Zeit oder die Umstände ihm die Hindernisse aus dem Wege räumen. Das muß man selber tun, sonst tun es andere – für sich. Mein Weg jedoch verlor sich in unbestimmter Ferne, wand sich dahin mit flachen, glatten Strecken; manchmal gab es zwar eine schwierige Höhe zu meistern, doch danach löste er sich auf, verschwand wie Morgennebel in der Sonne, und ich besaß weder den Willen noch die Kraft, ihn wiederzufinden. Nur den Wunsch, und der erwies sich als zu schwach.
    Zum Schluß blieben ein unerquickliches Gespräch und schlichte Fachsimpelei.
Da erreichte uns der Sammelcode.
Wir hatten schon bemerkt, daß die EM-Feldaktivität stärker geworden war. An den Stellen, an denen die Fäden hingen, knisterten blaue Fünkchen. Wir mieden sie sorgfältig.
»Was mag das zu bedeuten haben?« fragte ich.
»Als ob das Wrack zu leben beginnt«, erwiderte sie und blieb einen Augenblick lauschend stehen. Ich erwiderte nichts, ich mochte nicht an ihren Worten herumdeuten, wollte jeden Streit vermeiden.
In der Schleuse erwarteten uns die anderen. In ihrer Mitte stand Leo, weiß wie Schafkäse. Seine Augen versprühten Entsetzen. Ihm zitterten Knie und Hände, auf seinem Gesicht glänzten unzählige Schweißperlen. War etwas geschehen? Leo antwortete nicht, klammerte sich nur an den Arm des Nächststehenden. Perry war noch nicht da. Wir verließen die Schleuse und schleppten Leo in die Station zwei, die sich nur fünfzig

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