Nova
– das Schiff erwacht, entschuldigt den Ausdruck, um so mehr zum Leben, je länger wir uns dort aufhalten. Ich glaube, die Ursache der Reaktionen des Wracks sind wir selbst.«
Wir schwiegen betroffen. Torday erntete keinen Sturm wie seinerzeit Eileen. Zuviel war geschehen. Nachdenklich ließ ich mir mögliche Konsequenzen seiner Gedanken durch den Kopf gehen. Ich lehnte sie nicht ab, da gab es in ihnen etwas Hintergründiges, etwas Richtiges, das man mit dem Verstand erfühlen, mit der Logik aber noch nicht greifbar machen konnte.
»Und woher bezieht das Wrack seine Energie? Wir haben bisher nichts festgestellt«, wollte Nelson wissen. Natürlich war er nicht gewillt, auf Tordays Überlegungen einzugehen. »Welches Programm könnte die fremden Mechanismen veranlassen, gerade jetzt auf uns zu reagieren?«
Ich spürte, wie mich jeder seiner trockenen Sätze reizte, obwohl die Fragen berechtigt waren. Und »wir« hatte er gesagt. Dabei war er nicht eine einzige Sekunde lang selbst im Wrack gewesen, obwohl er das durchaus hätte tun können; ich meine seine wissenschaftlich-technischen Fähigkeiten. Er zog es vor, von oben zu dirigieren.
»Wir wissen nicht, woher es seine Energie bezieht«, erwiderte einer der Energetiker. »Ihre Quelle und auch die Funktionsweise sind uns unbekannt. Möglich wäre nach dem derzeitigen Stand die Existenz von Solarzellen, denn VESTA nähert sich der Sonne. Allerdings müßten sie gänzlich anderer Struktur sein als unsere. Andere Energiequellen sind nicht lokalisierbar – bis jetzt…« Er verhielt einen Moment. Sein Gesicht verzog sich beim Nachdenken. Offensichtlich benötigte er Kraft, um weiterzusprechen. »… aber mir kommt da ein Gedanke. Unser Körper, unser Gehirn und unsere Nerven, sie alle arbeiten mit elektrischen Potentialen, die EM-Felder ausstrahlen. Auf der Erde laufen Versuche, Energie aus wechselnden Magnetfeldern zu gewinnen. Vielleicht ist die Konstruktion in der Lage, mittels hypersensibler Sensoren unsere körpereigenen Felder zu verarbeiten und so Energie zu gewinnen. Das würde auch Tordays Überlegungen unterstützen. Allerdings bezweifle ich, daß es beim gegenwärtigen Stand der Forschungen nachweisbar wäre. Immerhin, die theoretische Möglichkeit besteht. Und es gibt da noch etwas, doch das berichtet lieber Gorden.«
Gorden, Funktechniker unserer Mannschaft, war einer von denen, die still und ohne aufzufallen arbeiteten. Er machte weder von sich noch von seiner Tätigkeit viel Aufhebens und war trotz seiner auffallenden Zurückgezogenheit im Kollektiv durch seine Zuverlässigkeit angenehm zu spüren. Ich hatte kaum Kontakt mit ihm gehabt; das lag nicht nur an unseren unterschiedlichen Einsatzbereichen. Für meinen Geschmack war er zu ruhig.
Seine Worte klangen leise, wenn auch bestimmt. »Es ist verständlich, daß auch meine Beobachtungen keine gesicherten Ableitungen zulassen. Das Wrack sendet in den Zeiten seiner inneren Aktivität auch nach außen. Der Begriff senden mag in diesem Zusammenhang nicht völlig richtig zu sein. Es handelt sich dabei um Bruchstücke einer ungelenkten isotropen Schwingung, die der Computer registriert hat. Sie ist sehr schwach und tritt erst seit einer Woche auf. Anfangs glaubte ich, es handele sich um eine Interferenzschwingung der Sonne. Das beste wird sein, wir sehen sie uns auf dem Monitor an.«
Gorden hatte seinen Einsatz vorbereitet. Über den Bildschirm flackerte eine unterbrochene Sinuskurve, deren Amplituden sich vergrößerten.
»Das stellt keinen gezielten Funkspruch eines Senders dar, sondern ist meiner Meinung nach eine komprimierte Komponente, die nach außen abgestrahlt wird. Im Vergleich zu den Kurven, die im Wrack selbst aufgezeichnet wurden, würde ich diese als sanft und ausgeglichen bezeichnen«, erklärte er und fügte dann noch einen Satz hinzu: »Wie ein ruhender Organismus.«
Neben mir murmelte Lech, Gorden hätte uns wohl seine eigenen Schlafimpulse vorgespielt. Das war natürlich ein Scherz, aber ich wußte plötzlich, wonach wir suchten.
Noch heute wundere ich mich über meine plötzliche Erkenntnis, die mir im Bruchteil einer Sekunde die lange verborgene Wahrheit offenbarte. Möglich, daß es Zufall war, daß gerade in diesem Augenblick mein Gedächtnis so gut funktionierte. In meinem Gehirn erschien eine Kette von Sätzen und Wörtern, die ich gedacht und gehört hatte. »Organismus, der sich gegen ein Fremdvirus wehrt… Verfolgt ein Ziel… Nerven… elektrische Potentiale… wundersames
Weitere Kostenlose Bücher