Nova
rissen auseinander.
Der Kontakt zu dem künstlichen, außerirdischen Gehirn bestand nicht mehr.
Vorbei.
Ausgebrannt und leer wankte ich in meine Wohnzelle. Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht. Nicht einmal dazu besaß ich die Kraft.
Pytr kam während der Nacht zu mir. Er klopfte. Ich hörte es, öffnete jedoch nicht. Unaufgefordert betrat er meine Zelle. Ich verstand nicht, weshalb er lächelte. Er setzte sich auf den Rand des Bettes, drückte mir die Hand und sagte: »Eileen ist erwacht.«
Ich benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, was er gesagt hatte. Ich sprang auf.
»Sie lebt?« rief ich.
Er nickte.
Hastig zog ich mich an, hatte Mühe, nicht durch die Station zu rennen.
Eileen lag mit offenen Augen auf der Liege. Herbe Züge hatten sich in ihre Mundwinkel eingegraben. Die Lippen waren fest aufeinandergepreßt. Sie verfolgte mein Eintreten. Ich setzte mich neben sie, nahm ihre schlaffe, kalte Hand und blickte sie stumm an.
Ich war nicht fähig, meine grenzenlose Freude in Worte zu kleiden. Aber ich fühlte, wie sich all mein neuerwachtes Glück ihr mitteilte.
Da wandte sie den Kopf ab, starrte an die Wand.
»Eileen«, sagte ich endlich. »Ich bin so froh, daß du lebst. Ich hatte furchtbare Angst um dich, ich… ich…«
Sie reagierte nicht. Ratlos schaute ich zu Pytr. Der hob die Schultern, blickte ebenso hilflos zu mir.
»Eileen…«, begann ich von neuem und drückte ihre Hand fester. Doch sie entzog sie mir.
»Sie ist noch erschöpft, Shamir«, sagte Pytr. »Eileen braucht Ruhe.«
Ich fand in seinen Worten eine beruhigende Erklärung für Eileens Verhalten und bekämpfte damit die Enttäuschung. Nur schwer schlief ich später ein.
Mein Unterbewußtsein war auf zwei Tatsachen aufmerksam geworden, deren Zusammenhang mir am nächsten Morgen plötzlich deutlich wurde.
Bis auf Strangers Unfall fanden alle anderen im Stalagmitenraum oder dessen Umgebung statt. Ich war dort gewesen, Perry und auch Eileen. Stets fand dort etwas statt, was wir nicht genau erklären konnten, was aber irgendwelche Übereinstimmungen vermuten ließ.
Eileen war lange Zeit nicht aus der Bewußtlosigkeit erwacht. Im Gegenteil. In den letzten Stunden der Aktivität des Gehirns hatte sich ihr Zustand verschlechtert. Als die Energiezufuhr die kritische Grenze erreichte, lag sie im Sterben.
Dann brach der Kontakt ab, es ereigneten sich Explosionen – und in diesem Augenblick erwachte Eileen.
Dieser Gedanke elektrisierte mich. Hatte Eileens Zustand im Einklang mit Reaktionen der Konstruktion gestanden? War sie Vermittler des Gehirns gewesen? Oder zumindest der Versuch des künstlichen Gebildes, mit uns in Verbindung zu treten? Eileen als komplizierte Vermittlerstufe zwischen mechanischer und biologischer Intelligenz?
Als ich verunglückte, hatte Eileen die Vermutung aufgestellt, die in der Hypnoanalyse entdeckten Gefühlsgruppen »Schmerz« und »Hilfe« könnten auch vom Gehirn übermittelt worden sein. Dann wäre der Stalagmitenraum eine Zone, in der das Gehirn den Kontakt zu uns suchte, in der es mit uns experimentierte und probierte nach dem Aktion-ReaktionPrinzip.
Ich eilte in die Zentrale, um meine Idee den anderen mitzuteilen.
Ich kam zu spät.
Das Wrack war für immer verstummt. Keine der Parasonics meldete noch Aktivität. Die Ursache mußte in der zu hoch zugeführten Energie gelegen haben. Die Konstruktion, vor vierhundert Jahren während einer Katastrophe notgelandet, war schon zum Teil zerstört, als wir sie fanden.
Sie hatte die Energie »konsumiert«, doch das war offensichtlich zuviel gewesen.
Seitdem ist das Gehirn wirklich nur noch ein totes Metallgebilde, mit dem sich Hunderte von Wissenschaftlern noch heute beschäftigen. Jahre später fand man eine mögliche Deutung der von uns empfangenen Signale. Sie bestand in einer physikalisch determinierten optischen Zeichengruppe, die wir Menschen als »Angst« bezeichnen würden. Die Wissenschaftler hoben die Übereinstimmung menschlich organischer und jener fremden Signalgruppe hervor.
Nur dieses eine Wort ist deutlich geworden.
Kurz nach den Geschehnissen auf VESTA habe ich meinen außerplanetaren Dienst beendet.
Was aus Eileen und mir wurde?
Kein Happy-End, nichts Rührseliges. Ich müßte lügen, würde ich behaupten, ich hätte mir das gewünscht. Ohne viel Worte hätte ich sie nach ihrer Genesung zu mir genommen, sie geliebt und mit ihr gelebt.
Aber sie wollte nicht. Auch sie hatte die VESTA-Gruppe sofort verlassen und distanzierte sich von
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