Nova
Gewächs von gigantischem Ausmaß… ruhender Organismus…«
Die Kette verband sich mit dem, was ich soeben gehört hatte, und gab einen Zusammenhang frei.
»Das ist kein einfaches Raumschiff!« rief ich impulsiv. »Das könnte eine Art fliegendes, künstliches Gehirn sein.«
Jemand lachte hämisch auf.
Dann sagte Chefarzt Pytr: »In Eileens Engrammen fanden wir die gleiche Behauptung. Wir hielten sie für schizophren.«
Pytr erlaubte mir, Eileen zu besuchen. Aber es waren traurige, bedrückende Minuten. Wachsbleich, noch immer ohne Bewußtsein, hing sie an den Automaten. Ich setzte mich neben sie, nahm ihre kalte Hand und starrte sie stumm an. Stumm; natürlich, was hätte ich denn auch laut sagen können? Nur in meinem Inneren sprach ich mit ihr, schwatzte sentimentale Ungereimtheiten und wünschte mir, sie würde erwachen und ich könnte mit ihr sprechen. Gab es nicht Gemeinsamkeiten zwischen uns? Die unausgesprochene Zuneigung und unsere gemeinsame Idee über die Funktion des Wracks? Dabei wußte ich genau, ich war nicht in der Lage, meine Gedanken in wohlklingende Worte zu kleiden. Aber ist das überhaupt nötig? Sind Worte notwendig, um sich zu verstehen? Genügt nicht eine Geste, ein Lächeln?
Heute weiß ich, es wäre ihr zuwenig gewesen; ohne das gesprochene Wort hätte sie wohl Spielerei und Oberflächlichkeit vermutet und dahinter eigennützigen Trieb. Schließlich war sie die einzige Frau auf VESTA. Ich hätte zu ihr gehen und ihr sagen müssen, daß ich sie mochte, daß ich mich glücklich fühlte, wenn sie in meiner Nähe war. Doch vielleicht tat ich ihr unrecht, es waren ja meine Vermutungen, die ihr so etwas unterschoben. Nein, so etwas hätte sie nicht von mir gedacht. Denn merkwürdig – in diesen wenigen Minuten kam es mir so vor, als wäre zwischen uns alles geklärt. Dabei wußte sie ja noch nicht einmal, daß ich sie liebte. Ich hatte es vor ihr sorgsam verheimlicht – mit lachsem Umgangston, nichtssagenden Floskeln.
Heute weiß ich es besser. Stets in Gefühlen und Emotionen befangen, suchte sie Halt bei anderen. Vor allem bei solchen, deren Charakter dem ihren nahe kam, die aber stärker waren als sie selbst. Stärker war ich, nicht aber aus dem gleichen Holz geschnitzt.
In der Station begegnete man mir mit unverhohlener Achtung. Shamir, der das Rätsel löste. Dabei war überhaupt noch nichts klar. Unsere, also Eileens und meine Hypothese war nicht zu beweisen. Sie war eine mögliche Interpretation der unerklärlichen Vorgänge. Wenn auch eine verrückte, jetzt aber anerkannte, denn der Grundgedanke wurde als Arbeitstheorie akzeptiert. Damit war ein Forschen im Inneren des Wracks unmöglich geworden.
Eileen fehlte mir. Jeder Tag ohne sie war verloren für mich. Hatte mich vorher ihre Nähe beflügelt, spürte ich jetzt Leere.
Wie gern hätte ich nun an ihre Zelle geklopft und mit ihr diskutiert.
Ich erkannte, daß sie es von Anfang an abgelehnt hatte, die Fakten aneinanderzureihen und das fremde Werk nur nüchtern zu analysieren. Sie hatte es als Ganzes betrachtet und begriffen. So verhielt sie sich auch uns gegenüber.
Ich dagegen grübelte nicht soviel nach, sondern nahm viele Dinge so, wie sie sich mir boten. Das unterschied mich von ihr. War das ein Vorteil – oder ein Nachteil?
Die Konstruktion als Einheit zu verstehen bedeutete, sie auch als solche anzusprechen, um mit ihr in Kontakt zu treten. Aber das war der wunde Punkt. Offensichtlich befand sich das Wrack jahrhundertelang ohne Funktionsaktion auf VESTA. Jetzt lebte es wieder auf. Lag das in der unbekannten Energiezufuhr begründet oder in seiner Aufgabenstellung? War unsere Anwesenheit der auslösende Faktor? Begann es zu reagieren, wenn es vernunftbegabtes Leben erkannte? Und wie vermochten wir mit ihm in Kontakt zu treten?
Ungeklärte Fragen, die einer Antwort harrten.
Der Ideenkonferenz mangelte es nicht an Heftigkeit und Widersprüchlichkeit. Dann kristallisierte sich ein gangbarer Weg heraus. Wir wollten versuchen, dem Wrack Energie zuzuführen, ohne uns zu gefährden. Mittels leicht zu installierender Transformatoren konnten wir um das Wrack starke elektromagnetische Felder erzeugen. Vielleicht nahm es die als »Futter« an. Zusätzlich setzten wir Scheinwerfer mit Tageslichteffekt ein, weil die Energetiker die Existenz von Solarzellen nicht ausschlossen.
Zum Aufstellen der Apparaturen benötigten wir mehrere Tage. Die Arbeit war anstrengend und ich jeden Abend wie gerädert. Trotzdem schaute ich stets noch
Weitere Kostenlose Bücher