November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
Schornsteinen.
Am Einundzwanzigsten erreichten die Amerikaner die Stadt Luxemburg. Die Deutschen waren weg. Am Bahnhofsplatz lagen die verbrannten Reste eines großen Schuppens, in dem sie Brot aufbewahrt hatten. Vor ihrem Abmarsch ließen sie ihn in Flammen aufgehen.
Die Amerikaner!
Die Deutschen hatten gehöhnt: der Zirkus Barnum zieht in den Krieg.
Hatte es nicht im Frühjahr 1917 eine schreckliche Formel bei den Franzosen gegeben, die schon so geblutet hatten: die Amerikaner werden kommen, sie werden uns Lokomotiven und Automobile liefern, Stahl und Kupfer für unsere Munition, Material für Flugzeuge, sie werden für ihren Transport, die Verpflegung, die Hospitäler sorgen – aber unsere Soldaten werden in der furchtbaren Schlacht bleiben, und wenn es sich darum handeln wird, sein Blut zu vergießen, wer wird vortreten und sagen: ich bin da?
Es fuhren über den Ozean auf den Schiffen herüber Vertreter aller Rassen und Farbennuancen, Holzfäller, Erdarbeiter, Schienenleger, Radioinstallateure. Wieviel Rotes Kreuz, wieviel Menschen für die seelische Stütze der Soldaten. Es fuhren die Menschen, die alsdann bei Verdun aufrecht, ihrem Artilleriefeuer vorauf, in die feindlichen Maschinengewehre liefen, zu Tausenden sanken und sie nahmen. Die den Saint-Mihiel-Bogen in achtundvierzig Stunden ununterbrochenen Kampfes eindrückten und zwanzigtausend Gefangene und zweihundert Kanonen aus der deutschen Mauer rissen. Man hörte aus ihrem Mund das harte Wort: »Die Mücken haben wir lange Zeit für harmlose Tierchen gehalten, bis wir feststellten, wie gefährlich ihre Vermehrung werden kann. Es ist nun bewiesen, daß die Deutschen einen Unruheherd in der Welt bilden. Sie haben uns zu diesem Krieg genötigt. Wir werden die Gelegenheit benutzen, um soviel wie möglich von ihnen zu vernichten.«
Was für eine kleine angenehme Stadt Luxemburg war. Die Leute freuten sich und hatten geflaggt. Die Amerikaner trommelten und pfiffen und gingen in die Kaserne und in ihr Privatquartier. Und als sie die Stadt besichtigen wollten, führte man sie in die große Straße auf eine mächtige Brücke, die riesige Straßenbahnmasten trug. Sie blickten herunter in einen Abgrund. Hinten sahen sie einen nebligen Höhenzug, unter sich grünlich blasse Wiesen, die die Hügel hinaufkletterten. Es waren da breite Wege gezogen, ja ein Bach floß. Sie fragten, ob das alles natürlich sei. Die Luxemburger bejahten stolz. Nur die Brücke sei nicht natürlich, die wäre von ihnen. Blickten die Amerikaner dann die andere Seite herunter, so floß auch da der Bach, und zwar jetzt mit richtigen Schnellen. Es gab auch ein niedriges burgartiges Gemäuer mit vielen schwarzen Fenstern. Und eine kleine Brücke führte über den Bach. Alles unendlich niedlich für Leute vom Mississippi und Missouri, von den großen Seen und dem Niagarafall.
Als sie zum Bahnhofplatz zurückkehrten, erregte eine kolossal qualmende Eisenbahn ihre Neugier und Bewunderung. Mit blitzblanken schmucken Wagen, vier an der Zahl, oben weiß, unten grün, kam sie vor dem Bahnhof auf dem Platz angefahren unter einem wirklich enormen Keuchen. Als sie hielt, machte die Lokomotive eine elegante Tour um die vier Wagen herum, die sich inzwischen stille verhielten und mit Menschen füllten, und nun zog sie wieder alles, Wagen und Menschen, Mann und Maus, aus der Stadt Luxemburg heraus.
Die Amerikaner brachten in die Stadt mit ihre kleinen Lederbeutel mit gelbem Tabak, ferner den Kaugummi, der dann die Stadt nicht mehr verließ. Und wenn sie in Quartiere kamen, wo es größere Jungens oder Mädchen gab, so war das erste, was sie taten, daß sie ihnen Boxhandschuhe überlieferten und mit den Kindern momentan ihrem Nationalsport frönten.
Hinter ihnen zog das französische 109. Linienregiment ein. Neuer Jubel. Herr Paul Stümper, assistiert vom Bürgermeister von Hollerich und Luxemburg, empfing sie: »Ihr habt den ersten Stoß ausgehalten. Euer Blut ist in Strömen geflossen. Wir sind stolz darauf, das 109. Linienregiment zu empfangen, mit der Militärmedaille an der Fahne, viermal genannt im Tagesbefehl.«
Nachher ging bei den Diners und Empfängen das Tuscheln los, von den fünfhundert französischen Kriegsgefangenen, die vor acht Tagen aus Deutschland hier eintrafen, verhungert, eingefallen, in abgerissenen Kleidern. Und dann die Deutschen (man sprach jetzt kühn auf der Straße von Saupreußen), sie sind jetzt weg, endlich. Aber während der langen Besetzung haben sie Verhaftung über
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