November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
begleiteten, in Metz noch zurecht, um die letzten deutschen Truppen abziehen zu sehen, unter einem bleiernen Himmel inmitten einer großen unbeweglichen Menge. Man hörte nichts als den schweren Gleichschritt der Soldaten, das Rollen, Knarren und Klappern der Wagen, das Trappeln der Pferde. Offiziere und Mannschaften blickten starr gradeaus. Kein Ruf kam aus der Menge. Hier und da flüsterte einer.
Die Stimme von Barrès, des Hellenisten, des Freundes von Venedig, die überschlagende Stimme eines, den der Abscheu und Haß nicht ruhen ließ:
»Ich war in Gerbéviller, ich habe eine genaue Untersuchung angestellt, wie andere in Nomény und Louvain, in ganz Belgien. Soll man es ungestraft hingehen lassen, daß der General Claus und seine Soldaten, die geschlagen, gestohlen, gehängt, füsiliert haben, dabei Frauen, Kinder und Greise aus Lothringen, daß sie sich in der Masse der Besiegten verlieren? Was wir wollen, ist: Deutschland von der Bochie befreien. Wir wollen vernichten, was eben drauf und dran war, den Untergang der ganzen Welt herbeizuführen. Wir wollen den würdigen Deutschen von den niedrigen Boches absondern.
Es ist von Herrn Louis Renault mit Recht festgestellt, daß derjenige, welcher gegen die Konvention des Haager Gerichtshofs verstößt, ein gemeiner Verbrecher ist und vor das Gericht des Landes gehört, wo er sein Verbrechen beging. Die Schuldigen müssen ermittelt und ergriffen werden. Ein deutscher Offizier hat, sagt man mir, Zivil vor der Truppe marschieren lassen. Man ermittle ihn.
Wenn man will, daß die Deutschen aufhören, Halbmenschen und Sklaven zu sein, fähig, die verruchtesten Verbrechen mit vollendeter Disziplin zu verüben, dann muß eine Hand, die stärker ist als ihre Anführer, diese Anführer ergreifen und sie vor Gericht stellen, damit sie dort in aller Öffentlichkeit, unter den notwendigen Rechtsgarantien, vor den Augen der ganzen Welt abgeurteilt und verdammt werden.
Die Deutschen! Seht an die Deutschen von 1914/18. Sie ziehen ab. Im Stechschritt waren sie ausgebildet und hielten sich für eisenstark. Sie schrien: ›Macht schafft Recht.‹
Der Rausch der Lehren von Bernhardi wird ihnen verfliegen, in jener Stunde der Sühne, die naht, wo über den Schuldigen die Geißel des Rechts saust.«
Die letzten deutschen Tage von Straßburg
Aus welchem Höllenschlund mußte sich die schwarze, vom Feuerschein durchzuckte Rauchwolke aus Haß, Unglück, Schmerz, Rachsucht erhoben haben, die sich in diesen Jahren über Europa legte und nicht abziehen wollte.
Aus welchen unsichtbaren Wurzeln war das gräßliche Stachelkraut aufgeschossen, das sich wuchernd über die ganze Erde verbreitete, jedem, der sich zum andern bewegen wollte, das Fleisch zerriß und darum jeden hilflos an seinem Platz festbannte.
Seit bald fünfzig Jahren hatten die Deutschen, die Eroberer von 1870, im Elsaß gestanden. Ihre Stunde hatte geschlagen. Es mußte geschieden sein. Aus dem ehemaligen Reichsland entfernten sich Regimenter und Behörden. Ihre Bauten, ihre Erinnerungen an die alten Siege, Denkmäler der deutschen Kaiser ließen sie zurück, dazu viele zehntausend altdeutsche Bürger.
Das Reichsland Elsaß-Lothringen, über das man so viel gedacht und geraten, um das sich so viele bemüht hatten, brach zusammen. Es galt nicht mehr das Gesetz über die Verfassung Elsaß-Lothringens, das erst 1911 das Licht der Welt erblickte, und das Wilhelm II. am 31.Mai zeichnete, urkundlich mit höchsteigenhändiger Unterschrift und unter Beisetzung seines kaiserlichen Siegels.
Dies Gesetz war ausgediehen zu drei Hauptartikeln und achtundzwanzig Paragraphen, die alles vorsahen, was es nur gab und geben konnte, wie viel Stimmen Elsaß-Lothringen im Bundesrat führen sollte und wann wieder diese Stimmen nicht gelten sollten, nämlich wenn etwa durch Hinzutritt dieser Stimme die Präsidialstimme die Mehrheit für sich erlangen würde. Das Gesetz präsentierte den Kaiser als den eigentlichen Träger der Staatsgewalt, er konnte an die Spitze des Landes einen Statthalter setzen, welcher in Straßburg residierte und landesherrliche Befugnisse ausübte. Und er erkor dafür 1911 seinen ehemaligen Generaladjutanten, General à la suite des 2. Garde-Ulanenregiments, den Grafen von Wedel, einen Oldenburger und alten Kriegsteilnehmer von 64, 66, 70/71. Den neuen Krieg freilich sah der alte Haudegen nicht mehr, der Tod rief ihn ab, um auf Herrn von Dallwitz das Unglück fallen zu lassen. Ein Zorn von Bulach regierte unter ihm
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