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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Colonel zuckte die Achsel: »Heuchelei.« Foch: »Uns ins Gesicht, andern Soldaten!«
    »Es wird für den inneren Gebrauch des Landes sein.« Foch: »Mir amtlich zugegangen. Man beklagt sich – aber das ist schon der Gipfel der Unverschämtheit –, daß Soldaten infolge der erzwungenen Gewaltmärsche als Opfer der Erschöpfung am Wege liegen bleiben werden oder (hören Sie!) kurz vor Erreichen der Heimat in Gefangenschaft geraten.«
    Der Colonel schüttelte den Kopf.
    Foch ballte die Faust: »Es ist schamlos, das liegt auf der Hand. Sie tun, als ob sie nicht wissen, wie sie in Belgien und Nordfrankreich unter der waffenlosen Zivilbevölkerung gehaust haben. Sie haben in ihre Offensiven, ohne mit der Wimper zu zucken, Zehntausende ihrer eigenen Leute geworfen und geopfert und tun jetzt, als ob sie sich was draus machen, daß einige bei Gewaltmärschen am Wege liegen oder in Gefangenschaft geraten. Was wollen sie mit diesen Niedrigkeiten? Sich den Konsequenzen der Niederlage entziehen. Wie? Heißt das was anderes? Sie scheuen dazu nicht das Gewinsel von Sklaven. Zuletzt kommt das noch mit einem Gefasel von Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit, was uns der Präsident Wilson von der Universität Princeton eingebrockt hat.«
    Der Colonel: »So sind die Deutschen. Ich weiß es aus meiner Zeit bei der Botschaft. Die adlige Spitze glashart, eiskalt, Diener des Königs, die Arbeitermassen willig, schwammig, rührselig, für Brutalität empfänglich, die Mittelschicht gebildet, und feige bis zum Kriecherischen.«
    Foch klopfte ungeduldig mit dem Fuß: »Die Sache wird dadurch nicht klar. Ihre Kriegführung war im Ganzen vernünftig, obwohl sie keine Ideen hatten und schließlich asiatisch immer nur mit den größten Massen an Menschen und Material arbeiteten. Sie haben sich bis zum Waffenstillstand roh, aber militärisch begreifbar gezeigt. Jetzt (er schlug wieder auf das Papier) schnappen sie über. Kommen mit Wilson.« Foch biß sich auf die Lippen. »Ich fürchte, dieser Amerikaner wird uns noch manche Ungelegenheit bereiten.«
    Colonel: »Die Generäle, die den Krieg verloren haben, greifen zur Taktik, das Zivil vorzuschieben, wie bei Straßendemonstrationen, wo man Frauen und Kinder vorangehen läßt.«
    Foch: »Das scheint mir überhaupt der Sinn ihrer ganzen sogenannten Revolution.« Colonel: »Unzweifelhaft.«
    Foch: »Sie hätten sonst spielend mit drei, vier sichern Divisionen der Revolution Herr werden können. Aber sie wollen’s nicht. Erstens haben sie den Schock der Niederlage in den Knochen, zweitens paßt ihnen die Sache in ihren Kram. Die Generäle wollen sich um die Verantwortung drücken und uns den Sieg stehlen.«
    Colonel: »Es wird nicht leicht sein, so lange Eure Exzellenz ein Wort mitzureden haben.«
    Foch nach einer Pause: »Dies – ist schon nicht an mich, sondern an Wilson geschrieben.«
    Er wirft das Papier beiseite und blickt kalt vor sich: »Keine Antwort darauf.«
    Colonel (erhebt sich): »Die Kulisse unserer Friedensunterhändler wird ja nun rasch sichtbar werden.«
    Foch: »Die Kulisse kenne ich schon, aus meiner Versailler Zeit. Die Affäre mit den neununddreißig Divisionen, mit denen man im März alles machen wollte, und nachher gab es bei Saint-Quentin keine Reserven, damit nur nicht der Engländer, der Marschall Haig, beleidigt werde. Jetzt ist der Amerikaner dran. Ich bin bald siebzig Jahr, Colonel, ich sage Ihnen voraus, sie werden auf Geplärr Rücksicht nehmen und den deutschen Generälen ›Menschenrechte‹ zuerkennen. Man hat mich im März vor eine verlorene Schlacht gestellt, und ich habe sie zurückgewonnen. Der Krieg ist nicht beendet. Frankreich hat nicht gesiegt. Der Henker hole die Koalitionskriege.«

Der Forstmeister sieht die Franzosen einziehen
    Der Forstmeister, der Verwandte unseres alten knickebeinigen Generals, des Garnisonältesten aus dem Städtchen, hielt sich noch immer in Straßburg auf.
    Er schrieb an seine Frau:
    »Mein treues Weib, die Umstände machen es mir endlich möglich, Dir einen Brief zu schreiben. (Das war nicht ganz richtig, unser betrübter Forstmeister war wie manch anderer von dem gewaltigen Treiben dieser Tage kräftig mitgerissen worden, und der Zider schmeckte ihm so schön.) Denn mein Freund, genannt Sepp Kundt, geht heute über den Rhein, obwohl wir beide uns geschworen haben, nur gemeinsam diesen letzten Schritt zu tun. Aber er kann es nicht mehr mit ansehn, und ich denke an Dein Wort, mein treues Weib: bleibe in Straßburg, bis du

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