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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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ändern.«
    Foch beugte sich über seinen Tisch, nahm sein Lorgnon und suchte unter den Papieren. »Wir haben uns was eingebrockt mit der sogenannten Waffenstillstandskommission. Die Deutschen wollen, scheint es, jetzt was nachholen, was sie während des Krieges wenig gezeigt haben, die Unpünktlichkeit. Für sie besteht alles in dem Problem: wie drücke ich mich. Das ist hier ein Protest der beiden Herren Erzberger und Winterfeldt, letzterer ein General. Möchte wissen, wie dem Herrn Kollegen bei dem Protest zumute war. Sie sagen, sie könnten zu den festgesetzten Fristen das Heer nicht über den Rhein führen, wegen der schlechten Wege, Gebirge, wegen des Wetters, sie könnten nicht für die volle Ordnung des Rückzugs garantieren. Also, Colonel, ich sitze hier über dem Wisch und denke nach. Irgendwo stimmt’s nicht, in meinem Kopf oder bei denen.«
    Der Colonel, eben dem Tode entkommen, schmauchte friedlich, sein Vorgesetzter wollte sich offenbar nur auslassen.
    Foch: »Ich möchte, daß Sie in die nächste Sitzung dieser sogenannten Kommission gehen und die Deutschen fragen, ob sie die Bedingungen gelesen haben, die von ihnen am Elften unterschrieben sind. Steht darin ein einziges Wort von ›der vollen Ordnung des Rückzugs‹?«
    Der Colonel: »Absolut nicht, und warum auch.«
    »Ganz meine Meinung. Wie dieser General solchen Unsinn mit unterschreiben kann, daß das deutsche Heer, also der geschlagene Feind, in voller Ordnung zurückgeführt werden soll. Wir haben nur den Termin bestimmt, zu dem bestimmte Punkte geräumt sein müssen, und die Waffen, die abzugeben sind. Alles übrige ist seine Privatsache.«
    Der Colonel: »Nehmen wir an, er führte seine Truppe nicht in Ordnung zurück und versäumte infolgedessen Termine oder hält nicht die Waffenabgabe, so macht uns das keine Sorge. Wir werden schon alles ins reine bringen.«
    Foch: »Hören Sie dies: ›Es darf an das unparteiische Urteil jedes erfahrenen Offiziers der Truppe oder des Generalstabs appelliert werden, um zu entscheiden, ob eine derartige Leistung überhaupt im Bereich des Möglichen liegt. Kann es angenommen werden, daß es die Absicht des Oberkammandos der Alliierten ist, noch während des Waffenstillstands ein Heer völlig aufzulösen und zu vernichten, das während fünfzig Monaten gegen übermächtige Gegner ruhmvoll standgehalten hat und dessen Front bei Einstellung der Feindseligkeiten nicht durchbrochen war.‹«
    Der Colonel legte seine Pfeife auf den Tisch, den Mund offen: »Exzellenz, das steht da?« Foch läßt die flache Hand auf das Papier fallen: »Wörtlich: gegen übermächtige Gegner ruhmvoll standgehalten und dessen Front bei Einstellung der Feindseligkeiten nicht durchbrochen war. Man fragt sich, warum sie dann den Krieg aufgegeben haben, warum ihr Ludendorff schon vor Monaten die sofortige Herbeiführung eines Waffenstillstandes gefordert hatte, warum sie vor zwei Wochen überhaupt diese angeblich so ungeheuerlichen Bedingungen, die es in der Geschichte noch nicht gegeben hat, annahmen.«
    Der Colonel nickte schwermütig: »Man hätte in der Tat früher solchen Waffenstillstand nicht gemacht. Er ist ein Akt der Milde gegen einen Feind, der keine Sekunde während des Krieges eine Spur von Milde zeigte. Wir werden diese Milde zu büßen haben. Sie sind unfähig, Milde zu verstehen. Sie wird sich, wie man schon sieht, als vergebene Liebesmüh erweisen.«
    Foch: »Sie lügen, die Deutschen. Sie wagen mitten in der Niederlage ihre Niederlage wegzulügen. Ich verspreche Ihnen, Colonel: nach dem, was ich hier lese, werde ich bei der Durchführung des Waffenstillstandes und bei den kommenden Friedensverhandlungen alles tun, um den Deutschen mit Gewalt die Augen über ihre Niederlage zu öffnen. Die Schlacht an der Marne, die verlorene Frühjahrsoffensive Ludendorffs, der erfolglose Durchbruch bei Amiens, ihr letzter Wurf, soll ihnen eingebläut werden. Dabei« – Foch schüttelte langsam den Kopf und las wieder den Protest –, »dabei ist und bleibt mir noch immer einiges unverständlich. Ein General unterschreibt ein solches Gesuch mit, wobei ernsthaft die Frage aufgeworfen wird, ob wir, ja oder nein, die Absicht hätten, das deutsche Heer aufzulösen oder zu vernichten. Was, frage ich mich, denkt sich dieser General dabei? Wie und wo hat er Krieg geführt? Ist es möglich, ist es denkbar, daß ein General, ein Militär ernsthaft dem Gegner Vorwürfe macht, weil er das feindliche Heer auflösen und vernichten will?«
    Der

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