November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
werden einem die Augen geöffnet. Wie man uns belogen hat. Die drüben. Ruiniert haben sie uns. – Hätten wir’s doch erkannt. Hätten wir’s nicht mitgemacht. Hätten wir uns zur Wehr gesetzt. – Hätten, hätten. Wie? Und jetzt ist’s zu spät. Wir sind besiegt. – Weil wir besiegt sind, sind wir darum schlecht? Schlechter als die andern? Wenn andere was verbrochen haben, müssen wir dafür büßen? – Ja, ja und dreimal ja. Die Sünden der Väter werden heimgesucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. – Es ist nicht wahr. Es darf nicht wahr sein.
Die Stimme von Barrès. Unerschüttert die Stimme von Barrès:
»Die Stunde, die wir erwarteten, ist da. Ich richte ein Dankgebet an die Toten von 1914 bis 1918, an die Toten von 1870, von 1815, von 1814.
Die feudale Fassade Deutschlands ist gefallen. Dahinter wird sichtbar ein Volk von siebzig Millionen, brennend darauf, sein Leben wieder anzufangen und die verlorene Vorherrschaft wiederzugewinnen.
Sie fühlen sich nicht besiegt. Alle Deutschen sagen: sie sind nicht besiegt. Sie drohen mit ihrem bolschewistischen Herd. Sie wollen uns mit ihrem Unglück und der bolschewistischen Gefahr düpieren. Aber das deutsche Volk haßt den Bolschewismus. Wir wissen es. In diesem Land, das so diszipliniert ist, versteht man ihn nur als industrielle Hierarchie, als Herrschaft des Staates auch über die Wirtschaft. Wie begreifen, vollkommen! Wir lehnen die neue Mischung von Bitte und Drohung ab. Was sie bedeutet? Wilhelm und die Seinen geben uns zu verstehen, daß sie bereit sind, sich mit uns wie Simson bei den Philistern unter den Trümmern der Zivilisation zu begraben. Ah! Das französische Haus, das sie im Mittag ihrer Erfolge nicht zerstören konnten, wird auch ihrer Niederlage widerstehen.
Die deutsche Fassade ist gefallen. Die siebzig Millionen werden sichtbar, eine Aktiengesellschaft, die von ihrem Verwaltungsrat hintergangen ist. Sie wollen sich ihrer Verantwortlichkeit entziehen, indem sie den Verwaltungsrat niederschlagen.
Nein! Fünf Jahre hindurch rief ich täglich: Vertraut, hofft! Jetzt rufe ich: Seht euch vor, habt Mißtrauen, hütet euch!
Der Deutsche ist kein Demokrat. Das Teufelsschloß ist zerfallen, der Teufel geblieben. Sie haben große Eigenschaften. Ihre großen Eigenschaften haben dem Erfolg nicht standhalten können. Aus Gründen, klar wie der Tag, sind sie entartet, als sie glaubten, die Welt beherrschen zu können. Jetzt, wo sie geschlagen sind, graut’s ihnen vor sich selbst.
Ihr Land wird in den nächsten zwanzig Jahren unfähig sein, uns zu schaden. Aber nach zwanzig Jahren wird es sich wieder erheben.
Seht sie heute betteln! Heute! Morgen werden sie danach dürsten, uns zu überfallen. Der preußische Imperialismus, Feind der ganzen Welt, muß dem unerbittlichen Gesetz der Gerechtigkeit unterworfen werden. Die deutsche Nation, aus ihrem bösen Traum erwacht, muß von ihm befreit werden.
Ich stehe am Rhein, blicke auf den Rhein: Überall Reste alten römischen Lebens, jahrhundertelanges Vordringen und Verteidigen unserer Zivilisation im Rheintal. Dank denen, die sich hier gemüht haben, Dankbarkeit und der feste Vorsatz, ihren Willen fortzusetzen und zu vollstrecken.
Wir verlangten vor dem Krieg dreijährige Dienstzeit, schwere Artillerie und Munition. Von dem Friedensvertrag verlangen wir Klauseln, die uns rüsten und sicherstellen.
Um nicht noch einmal das Wunder der Marne erbitten zu müssen, müssen wir die natürliche Verteidigung des Rheins vorbereiten. Seit zweitausend Jahren schlagen sich Galloromanen und Germanen um das linke Rheinufer. Jede Generation fühlt von neuem die Notwendigkeit seines Besitzes.
Gegenüber einem Block von achtzig Millionen Germanen, die sich unsichtbar vereinen, werden unaufhörlich vierzig Millionen Franzosen in größter Gefahr leben. Wir wollen uns mit den zehn Millionen Belgiern und Wallonen, unseren Waffenbrüdern, zusammentun und unserer Sache die Bevölkerung der Pfalz, von Trier und Köln verbünden. Die Wurzeln dieser Völker müssen ein dichtes Flechtwerk bilden, um einen starken Deich zu schaffen, von dessen Höhe die freien Völker das tiefe und gefährliche Germanien überwachen.«
Straßburg, ich muß dich lassen
Zwischen den Aufmärschen, Fahnen, Musik bewegte sich am Hohen Steg der unansehnliche ernste Provisor Jakob aus unserm kleinen Städtchen. Man sah ihm seinen frischen Schnupfen, nicht aber seine Seligkeit an. Denn Hanna, eine pikante Erscheinung im schicken
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