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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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den Ratten und Mäusen, Millimors ist billig und leicht zu handhaben, Gänseleberpastete, es gibt moderne Villen in vornehmer Lage zu verkaufen, Weihnachten, Zigarren für Weihnachten, was wird das für ein Weihnachten sein, du liebes Christfest, großes Hasenessen in der »Stadt Thann«.
    Ein Trupp Soldaten in der Meisengasse singt ein deutsches Lied, ein rührendes und trauriges: »Verlassen, verlassen bin i«, aber nein, sie lachen und sind fidel, es ist nur die Melodie, sie singen: »Entlassen, entlassen, entlassen bin i. Bruach niemes meh ze hasse, wie glückli bin i!« »Salü Schan, alte Pflumm, komm, gib mir ä Schmutz.« Da bleiben sie vor einem Privathaus stehn, strecken die Fäuste hoch, was schreien sie? »Humm humm humm, de Robbespierre geht um!« Das schreien sie ein dutzendmal, dann ziehn sie weiter. Guste ängstlich: »Was machen die?« »Still«, er flüsterte zu ihr herunter, »sie drohen Reichsdeutschen.« »Ja warum nur?« Der Pfarrer konnte vor Schmerz nur antworten: »Es sind Elsässer.« Sie zog ihn nach dem Kleberplatz.
    Sonne, Sonne, Sonne. Noch gehen über den Kleberplatz feldgraue Offiziere, bald werden französische kommen, nicht weniger straff, mit intelligenten und scharfen Gesichtern, und werden diesen Kleber auf dem hohen viereckigen Sockel als einen der Ihren begrüßen. Hinter Kleber steht ein modernes Hotel, das Rote Haus, aber warum heißt es rot, Verkaufsläden, Galerien, Brasserien. Der Münsterturm ragt rechts über den Häusern, die vielen kleinen Schornsteine auf den roten Dächern schicken ihm ihren Rauch zu. Es halten Autos und Lastwagen auf dem weiten Platz. In das Café Aubette will Frau Oberleutnant. Der Pfarrer folgt ergeben.
    Der Raum ist voll, sie möchte mitten im Trubel sitzen, zwischen dem Lachen, Trinken, Kuchenessen, Tellerklappern. Aber er erwischt einen Tisch am Fenster, da lassen sie sich nieder.
    Sonne über dem Platz. Es gehen zivile dicke Männer vorbei. Ein älterer Herr mit weißem Schnurrbart schleppt ein großes Paket, er hat keinen Mantel und trägt hohe schwarze Stulpenstiefel wie ein Kavallerist. Ein Herr geht mit einem kleinen Hund an der Leine. Ein Motorfahrer rattert über den Platz, hält an, springt ab. Ach, du schöner Platz, ich sehe schon die fremden Regimenter drüber reiten, die Offiziere mit Kappen und goldenen Bändern, mit engen Hosen und den Stöckchen in der Hand.
    Guste, die lustige, hat ihren Schleier zurückgeworfen, sie zeigt ihr rotes Stupsnäschen, es geht ihr wunderbar, sie kommt sich wie ein Provinzgänschen in der Großstadt vor. Ein langer Geschäftsführer schlängelt sich durch das Lokal und dienert vor jedem Tisch. Die Damen interessieren sie. Wie elegante es gibt, wie machen sie sich zurecht, kurze, ganz kurze Röcke, wie sie die Beine zeigen, was für schöne Strümpfe. Solch Geschmack, Pariserinnen. Solche Strümpfe kauf' ich mir auch, aber ob ich nicht zu dicke Waden habe.
    Eine elegante Dame mit einem schwarzen engen Kleid, über den Schultern einen schwarzen Pelzkragen, blickt sich im Gang um, sie ist schön, sorgfältig zurechtgemacht, wie geleckt, sie rauscht strahlend an Guste vorbei, die sich ganz klein vorkommt. Sie hat seitlich von Gustens Tisch zwei Damen entdeckt, eine blasse mit einem unerhört weißblonden Haar, das ihr lockig in den Nacken fällt, darüber schwebt ein schwarzweißer Filzhut mit kühn zurückgeschlagenem Rand. In dieser Dame entdeckt Guste entzückt Ähnlichkeiten mit sich, sie ist auch weich, ist nicht mehr jung, sieht lieb aus, es werden noch viele Gefallen an ihr finden. Siehe da, wie ihre Augen, die so freundlich blicken, tief in den Höhlen liegen, sie muß krank gewesen sein. Neben ihr sitzt eine mit einem roten Filzhut, nicht mein Geschmack, sie blickt sich viel um. Was für Herren hier sitzen. Bestimmt sind manche Offiziere, die es wie ich machen, einmal ausspannen. Da gibt es auch ältliche fette Herren. Warum die noch ihre schweren fleischigen Hände auf den Tisch legen. Soll jeder wohl ihre Ringe sehen. Den Trauring, möcht’ ich wetten, haben sie in der Westentasche. Aber es beißt doch keine an.
    Ah, ein junger Herr vom Nachbartisch ist aufgestanden und steht bei den beiden Damen, sie drücken ihm die Hand, sie kennen sich. Sie stecken sofort die Köpfe zusammen. Der junge elegante Herr, bestimmt ein Offizier, wendet seinen kurzgeschorenen Kopf und weist auf einen Tisch, wo ebensolche jungen Herren sitzen und stumm Zigaretten rauchen. Wie interessant das alles ist. Man möchte

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