Novemberasche
kommen.«
Eva zögerte einen kurzen Moment.
»Aber warum hast du denn gestern nichts gesagt? Natürlich kannst du mit Stella und mir fahren!«
»Echt? Na dann – zweimal ja! Ich fahre gern mit euch, und einen Kaffee könnte ich auch gut gebrauchen.«
Vor dem
Kiesel
stellte Eva ihr Rad ab, holte die Bücher aus dem Korb, und Seite an Seite betraten sie das Gebäude.
»Ein toller Bau«, stellte Marie fest und sah sich um.
»Ja, das ist es«, stimmte Eva zu, während sie durch das helle Foyer gingen und das Medienhaus betraten. Am Schalter legte
Eva ihre Bücher auf den Tresen, allesamt Sachbücher über Trauerarbeit und Abschied. Marie räusperte sich.
»Das sind interessante Themen.«
Eva schob das letzte Buch auf die Scannerfläche und lächelte schwach.
»Ja.«
»Hast du die alle gelesen?«
»Bis auf dieses habe ich alle gelesen.« Eva grinste verlegen und zuckte die Achseln.
Im Café nebenan wurde gerade ein Tisch frei, und Eva und Marie steuerten zielstrebig darauf zu.
»Was möchtest du? Ich lade dich ein«, sagte Eva.
»Ach komm. Lass mich das machen«, gab Marie zurück.
»Nein, ich mach das. Der Latte macchiato ist hier ausgezeichnet. Drei Schichten, wie’s sein soll.«
»Na, dann gerne.« Marie zog ihr Cape aus und ließ sich auf dem Sofa nieder. Sie ließ den Blick schweifen. Schweres braunes
Leder, grobes Holz, gedämpfte Farben – das ganze Interieur war perfekt aufeinander abgestimmt. Der Innenarchitekt hat einen
Preis verdient, dachte Marie. Kaffee- und Brotkultur, eine wunderbare Idee! Als Eva wenig später ein Tablett mit zwei Milchkaffees
und zwei Gläsern Wasser brachte, fiel Marie auf, dass auch der Milchkaffee ins Farbkonzept passte. Es war schön, sich auf
solche Dinge zu konzentrieren, anstatt ständig über schwerwiegenden Problemen zu grübeln. Für einen Moment fühlte sie sich
wieder wie die Marie, die sie kannte, die gemütlich mit einer Freundin im Kaffeehaus saß.
Eva setzte sich übers Eck auf einen der Lederhocker. Marie griff nach dem Glas und war einen Moment lang einfach nur dankbar
für das warme Getränk in ihren Händen, den Kaffeeduft und die behagliche Atmosphäre. Sie wusste, dass sie diese Gelegenheit
würde nutzen müssen, um weitere Details über Stella zu erfahren. Und schnell war die gefühlte Normalität wieder verschwunden.
Marie nahm den ersten Schluck und überlegte, wie sie das Gespräch am geschicktesten eröffnen und unauffällig auf Stella und
Erik lenken konnte, als Eva fragte: »Was machst du eigentlich beruflich?«
Marie leckte sich den Schaum von der Oberlippe. »Was ich beruflich mache? Ich bin Malerin.«
»Du arbeitest in einem Malerbetrieb?«
»Ich habe meinen eigenen Malerbetrieb, wenn du so willst.«
»Donnerwetter, eine Frau in einem Männerberuf! Es lebe das Handwerk!«
»Nein, nein …« Marie musste lachen. »Ich bin Kunstmalerin. Ich male Bilder, und ich habe eine Werkstatt für Trompe-l’œil-Malerei.«
»Was ist das, wenn man fragen darf?«
»Man darf. Vielleicht sagt dir Illusionsmalerei etwas?«
»Das sind doch diese Treppen, bei denen die Stufen nicht richtig zueinanderpassen.«
»Das kann es auch sein. Bei Trompe-l’œil geht es um optische Täuschungen.«
»Toll. Malst du mit Ölfarben?«
»Mit Acryl, Kreide, Ölkreide. Ich habe auch gerade eine Serie beendet: vierzig Kreidezeichnungen – Seestimmungen.«
»Wow! Kann man die irgendwo sehen?«
»Bald. Eine Ausstellung in Konstanz ist in Vorbereitung.«
»Echt? Na, da werde ich auch kommen. Wann ist die denn?«
Da erst merkte Marie, dass das Gespräch eine völlig andere Richtung eingeschlagen hatte als geplant. Sie hatte Eva unauffällig
aushorchen wollen und nun war sie es, die Eva mit Informationen versorgte. Was war sie doch für ein Kamel! Marie, der Hercule
Poirot vom Bodensee. Manstelle sich vor, wenn plötzlich Eva und Stella auf dieser Ausstellung auftauchten. Am besten wäre dann natürlich, wenn sie
auch noch gleich Paula dazubitten würde!
»Äh … Das genaue Datum steht noch nicht fest …«
»Sag mir Bescheid, wenn du’s weißt. Das interessiert mich.«
»Klar … mach ich.« Marie nickte erleichtert. In der Regel vergaßen die Leute bei so etwas nachzufragen. Sie straffte die Schultern.
»Und was machst du so?« Sie nahm ihren Kaffee, trank einen großen Schluck und stellte das Glas auf dem Steintisch ab.
»Nichts so Spektakuläres wie du. Ich bin Altenpflegerin.«
»Du? Aber …«
»Aber
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