Novembermond
wollte.“
Sie sah ihn ungehalten an. „Glaubst du etwa, dass ich das vergessen h a be?“
„Nein.“
Aaron und Sonya hatte n jahrelang und vergeblich versucht, sich gege nseitig zu zähmen, bis Aaron aufgab und Berlin verließ .
Julian schlenderte durch das Zimmer, während Sonya ihn misstrauisch be o bachtete. Er ging an einem laufenden F ernseher vorbei, hielt vor dem eingescha l teten Laptop, der mitten auf dem Sofa stand, und blieb vor dem riesigen Monitor auf dem Schreibtisch stehen. „Vielleicht solltest du mich einführen in deine … Compu terwelten. Damit ich verst ehe, was du so faszinierend daran fi n dest.“
Sonya schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du das kannst.“
„ War um nicht?“ Die Welt, die er früher kannte , gab es lan ge nicht mehr, und sie veränderte sich immer schneller. N icht alle Veränderungen intere s siert en ihn , aber hier wollte er Bescheid wissen.
„Wenn ich im Internet unterwegs bin und in virtuellen Welten … kann ich mich fühlen … wie ein Mensch.“
„Aber du bist kein Mensch.“ Julian senkte den Blick, um das beginnende Fu n keln seiner Augen zu verbergen.
„Ich kann mich vergessen“, fuhr Sonya unbeirrt fort. „Die, die ich in Wirklic h keit bin. Was ist und wie es mir geht. Niemand will, dass ich mich verä n dere.“ Sie schaute ihn unsicher an.
Julian lächelte vorsichtig. Auch wenn ihm nicht gefiel, was er hörte. E r wollte ihre Motive verstehen, wissen, was in ihr vorging, um dann zu entsche i den, was zu tun war .
„Sie finden mich toll. Ich habe Spaß“, fuhr Sonya fort. „Aber ich kann auch e i ne ganz andere sein, mit einer neuen Identität. Dann verabrede ich mich, gehe auf Partys, flirte und lerne Leute kennen. Ich kann sogar am Strand liegen. In der Sonne. Noch nie zuvor habe ich mich so frei und glücklich gefühlt.“
Sie log. Aber Julian hielt sich zurück. „Was ist falsch an der, die du bist? Bede u tet dir dein wirkliches Leben nichts mehr?“
„Seit ich Aaron gleichgültig geworden bin und er mich verlassen hat, liegt alles wie ein endloser, grauer Tunnel vor mir. Sobald ich den Computer au s schalte, fällt es mir wieder ein. Was ist. Deshalb entscheide ich lieber selbst, welches mein wirkliches Leben ist.“
Julian schüttelte den Kopf. „Aaron hat nie gesagt, dass du ihm gleichgü l tig bist. Er konnte eure ewigen Streitereien nicht mehr ertragen .“ Julian wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte , noch bevor sich ihre Augen mit Tränen fül l ten. Es war ohnehin ein Fehler, dass er hier vor ihr stand . Allein. Er hätt e Eva mi t bringen sollen oder Sam. Oder beide.
„Egal, was passiert. Du bist ein Teil der Gemeinschaft“, sagte er schnell. „Du hast so viele Möglichkeiten.“ Er dachte an die, die diese Wahl nicht mehr hatte n. Die Gemeinschaft musste imme r schon den Verlust gute r Männer und Frauen verschmerzen , aus den verschiedensten Grün den, ohne dass er es hatte verhi n dern können. Und Sonya verschwendete freiwi l lig ihr Leben.
„Das würde voraussetzen, dass ich etwas mit diesen Möglichkeiten anz u fangen wüsste.“
„Ja.“
„Und was? Mich für die Gemeinschaft aufopfern? So wie du?“ Ihre Stimme klang bitter, und sie schüttelte müde den Kopf. „Das ist nichts für mich. Ich habe weder deine Fähi g keiten noch deine Macht.“
„Ich opfere mich nicht auf“, widersprach Julian ärgerlich. „Und glaubst du wirklich, dass ich mich damals bereit fühlte , die Gemeinschaft zu führen? Aber darum geht es jetzt nicht. Du musst einen eigenen Weg finden, ganz allein für dich. Wie früher, als dir das Aeternitas noch etwas bedeutete . Es waren deine Ideen, die das Hotel zu dem gemacht haben, was es heute ist.“
„Das Aeternitas interessiert mich aber nicht mehr. Wenn ich den Computer nicht hätte … ich glaube, ich wäre längst in die Sonne gegangen.“
Julian sah sie an. Für einen Moment blieb ihm die Sprache weg . Ihre Resignat i on löste Zorn u nd eine beunruh i gende Angst in ihm aus . Phasen der Trauer und des Überdrusses hatte er selbst durchlebt. Aber nie so . Er zog stets andere Schlüsse aus ihnen, ve r sucht e , den Feind in seinem Inner e n zu besiegen, anstatt die Niederlage zu akzeptieren oder vor ihr zu fliehen.
„Ich habe natürlich gewusst, dass es dir nicht gut geht, Sonya“, meinte er ruhig . „Aber ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm ist. Gibt es denn nichts, was ich für dich tun kann?“
„Nein, Julian. Und versuch jetzt bloß
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