Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
Vom Netzwerk:
Allerdings konnte Ellen auch nicht viel älter sein. Sein Vergleich kam spontan und überraschte ihn. Ellen ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn beide Frauen nicht unterschiedlicher hätten sein kö n nen.
    Julian hielt den Aufzug zurück. „Jenny?“
    Sie kam sofort zurück. Ihre Absätze klapperten, und ihr Gang war zu plump für ihre hochhackigen Schuhe.
    „Kennst du mein Auto?“
    Sie nickte eifrig. Natürlich kannte sie es.
    „Ich muss noch etwas erledigen. Danach nehme ich dich mit. Sei in einer ha l ben Stunde auf dem Parkplatz.“
    Jenny nickte noch heftiger.
    Sie würde ihm helfen, Zeit zu sparen.
     
    *
     
    Pünktlich um Viertel vor sieben war ich fertig zum Ausgehen. Ich trug eine sch war ze Hose, eine hellblaue Bluse und eine sch war ze Strickjacke. Ich hatte alles schon oft in der Klinik angehabt . Mein einziges Zugeständnis an den Samsta g abend war meine Frisur, da ich meine Haare offen trug und nicht zusammeng e bunden wie sonst. Mein Haar ist mein einziger Pluspunkt. Wenn es offen ist, fällt es mir lang und lockig über die Schultern. Allerdings hatte mein Ex-Freund Thomas immer nur von dunkelhaarige n Frauen mit braunen Augen g e schwärmt. Damals konnte ich es einfach nicht fassen, dass er sich trotzdem für mich en t schied. Aber das war lange her.
    Ich betrachtete mich kritisch im Spiegel. Meine Augen sind groß und von e i nem Blau, das mir immer schon peinlich war . Kornblumenblau. Es ist unang e nehm, immer wieder darauf angesprochen zu werden. Meine Nase ist durc h schnittlich, mein Mund zu groß. Auf Make-up und Lippenstift verzichtete ich komplett , auch wenn meine Großtante Ethel darüber nur den Kopf g e schüttelt hätte. Sie ging immer sehr großzügig damit um und predigt e : „Kommt es nicht von Gott, nimm es aus dem Pott.“ Tante Ethel genoss einen gewissen Ruf in unserer Familie, weil sie es auf drei Ehemänner bracht e .
    Ich hatte ganz bestimmt andere Pläne. Und ich bedauerte immer mehr, mich auf diese Verabredung eingelassen zu haben. W ar es wirklich eine gute Idee, mich mit diesem Julian zu treffen, um ihm meine Fragen zu stellen? Ihn auf Christian Hartmann s Entlassung und d iesen Kreis auf meiner Haut anzuspr e chen?
    Außerhalb meiner Arbeit bin ich in Gesprächen mit Männern eher schüchtern als wortgewandt. Das versuche ich immer zu überspielen, wenn auch selten e r folgreich. Dann werde ich zu einer Frau, die ich selbst nicht ausstehen kann . Thomas hatte sich immer beklagt, dass ich viel zu spontan und taktlos bin, aber ich komme einfach nicht dagegen an. Noch dazu war dieser Julian ein Mann, der mich unglaublich herau s forderte , und irgendetwas sagte mir, dass es besser wäre , ihn nicht zu provozieren.
    Ich blickte nervös auf die Uhr. Leider war es schon zu spät, um unser Tre f fen abz u sagen.
     
    Mein Wohnzimmer ging nach vorn zur Straße. Ich schaltete das Licht aus, trat zum Fenster, zog einen der Vorhänge auf und sah hinunter. Autos sta n den dicht an dicht, eine Gruppe Fußgänger eilte auf dem Weg zum S-Bahnhof vorbei. Der Samstag ist ein Tag zum Ausgehen, auch wenn ich es wesentlich ent spa n nender finde, ausgerechnet diesen Abend zu Hause zu verbringen. Sch a de, dass mir das heute nicht möglich war .
    Ein Auto fuhr langsam die Straße entlang, ein alter Golf auf Parkplatzsuche. Ich blickte erneut auf die Uhr. Wieder näherten sich Scheinwerfer. Die s mal waren es die eines Mercedes, und ich wusste sofort, dass Julian am Steuer saß. Er hielt in zweiter Reihe auf der gegenüberliegenden Straßenseite und stieg aus. Unwillkü r lich hielt ich den Atem an. Unter dem Licht einer Straßenlaterne konnte ich ihn gut erkennen. Ganz so groß und breitschultrig hatte ich ihn nicht in E r innerung, und mit seinem klassischen Profil und der eleganten Kleidung sah er einfach u n verschämt gut aus. Ich ermahnte mich, seine Nase nicht zu verge s sen.
    Unter seinem Mantel erkannte ich ein weißes Hemd und einen dunklen Anzug. Wir hatte n also ei n deutig unterschiedliche Ansichten über den Dress-Code des heutigen Abends, und ich fragte mich beunruhigt , was er vor hatte . Die kleine Pizzeria um die Ecke konnte ich wohl ausschließen.
    Als er die Straße überquerte, sah er nach oben, genau zu meinem Fen s ter, als wüsste er, dass ich ihn beobachtete. In der Dunkelheit konnte er mich nicht g e sehen haben, trotzdem trat ich einen Schritt zurück. Ich zog meinen Mantel an, griff nach Handtasche und Schlüssel. Als es klingelte, schloss ich

Weitere Kostenlose Bücher