Novembermond
ausgesperrt, sodass nichts ihre Unterhaltung beeinträc h tig t e .
Jack, der die Clubs leitete, mochte es, wenn Angehörige der Gemeinschaft, in s besondere die älteren Vampire, die Clubs besuchten. Ihr Coolness-Faktor, das z u meist auffallend gute Aussehen verbunden mit der Ausstrahlung von Macht und Dominanz bedeuteten für die menschlichen Besucher immer Blickfä n ge, auch wenn sie nicht wussten, mit wem sie es in Wirklichkeit zu tun hatte n.
Dieses Treffen diente allerdings nicht dazu, Jack zu erfreuen oder noch mehr Besucher a n zuziehen .
„Max war sicher, dass er an der Schönhauser Allee einen Vampir aufspürt e , e i nen Fremden auf der Jagd“, meinte Andrej. „Aber der Bahnhof war voller Me n schen, und bis Max es schaffte, alle Bahnsteige ab zu such en , war der Kerl längst ve r schwunden.“
Julians Blick verdüsterte sich. „Es muss gelingen.“
Andrej nickte. „Wir suchen weiter.“
Sam zögerte. „Julian? Diese Frau, die letzte Woche verschwunden ist. Sie hat im Aeternitas g e arbeitet. Als Zimmermädchen.“
Julian sah ihn scharf an. Seine Ahnung schien wie ein leises, böses Flüstern, das plötzlich wütend a ufschr i e. „Ist ihr Vorname Magda?“
„Ja“, sagte Sam verblüfft. „Kennst du sie?“
Julian nickte. „Wann ist sie verschwunden?“
„Am Dienstag. Nach ihrem Spätdienst. Sie ist nie in ihrer Wohnung angeko m men.“
„Ich habe sie in dieser Nacht mitgenommen. Bis zur S-Bahn.“
Andrej und Sam starrten ihn an, aber Julian zwang ihren Blick zu Boden. Er durfte nicht zulassen, dass sie Fragen stellten. Noch nicht. Sie würden ihre Schlüsse daraus ziehen, und er hatte noch keine Antworten, die sein Arkanum betrafen, keine En t scheidung ge troffen, wie er vorgehen wollte .
„Ich frage mich, ob das ein Zufall ist. Ausgerechnet eine Frau, die aus deinem Auto steigt“, meinte Sam, womit er Julians beunruhigenden Gedanken laut au s sprach.
„Das frage ich mich auch“, gab er zu. Heftige Gefühle von Schuld und Oh n macht fingen an, an seiner Fassade zu nagen.
Er schloss für einen Moment die Augen. „Andrej hat recht. Wir m achen weiter . Mehr können wir nicht tun.“
*
Sie saß mit gesenktem Kopf auf den Treppenstufen und lehnte an der weiß g e strichenen Wand im Hauseingang. Es sah aus, als würde sie sich nur kurz ausr u hen. Der Wind griff immer wieder in ihr langes, strähniges Haar, sodass es ihr Gesicht ve r deckt e .
Der Fahrer des Lieferservice für Wild und Geflügel entdeckte sie erst, als er den Wagen neben ihr anhielt. Er verzog das Gesicht. Eine Pennerin. Ohne Schuhe, im November. Direkt neben dem Lieferei n gang. Er stieg aus, tat, als ignorier t e er die Frau und klingelte.
Heute war seine Route besonders lang, und bei seinem letzten Besuch vor drei Tagen musste er zehn Minuten war ten, weil der Koch verschlafen hatte . Aber jetzt lief alles besser, das Rolltor fuhr mit einem lauten Ächzen in die Höhe. Das müsste auch die letzten Lan g schläfer in Hörweite aus dem Schlaf gerissen haben, dachte er missgünstig. War um sollte es anderen Menschen besser gehen als ihm? Schließlich war er schon seit Stunden auf den Beinen. Er war f einen mürrischen Blick auf die Frau, die in dem kaum beleuchteten Eingang saß. Sie rührte sich immer noch nicht. Wenn selbst das Getöse des Rollgitters keine Wi rkung zeigte, musste sie sturzbetrunken sein.
Er hasste jede Art von Unannehmlichkeiten und Betrunkene sowieso, deshalb überlegte er sorgfältig, bevor er seiner Neugier nachgab und näher trat. Ihr Ma n tel sah nicht schäbig aus, fast schon neu. Und sie trug eine Handtasche im Arm , wunderte er sich. Keine Plastiktüten, keine Pfandflaschen und keine Schuhe, aber eine schicke rote Lacktasche, die unter ihrem Mantel hervo r schaute.
Das Gatter war jetzt offen, er stieg in sein en Wagen und fuhr los. Doch auch nachdem er Rehrücken, Wildschweinbraten, Hirschmedaillons und Wachteleier abgeliefert und den unte r schriebenen Lieferschein pedantisch abgeheftet hatte , ließ ihm die Frau keine Ruhe.
„Übrigens“, sagte er zu dem jun gen Koch, der h a lf , alles im Kühlhaus abzul a den, „direkt neben eurem Eingang sitzt eine Pennerin. Auf der Tre p pe dieses Neubaus.“
„Meinst du, dass sie Hunger hat?“, fragte der Koch gutmütig.
„Kann schon sein“, meinte er verdrossen. Diese Entwicklung hatte er nicht b e absichtigt. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass der Koch seine Empörung teilte. Aber trotz seines entrüsteten
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