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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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Böses Blut. Ich habe schon gehört, dass es so etwas gibt. Aber noch nie erlebt … nicht gewusst …“
    „Ich kann es schon lange kontrollieren.“
    „Wenn du das nicht könntest, wäre ich jetzt tot.“ Julian stockte. „Ich möchte lieber nicht wissen, wie du das gelernt hast. Wer weiß davon? Wem hast du es erzählt?“
    „Außer dir? Niemandem. Jedenfalls niemandem, der es überlebt hat.“ Pierre stand auf und streckte sich. „Aber du solltest endlich die ganze Wahrheit erfahren.“
    Julian nickte. „Ich verstehe. Heute war die Gelegenheit günstig.“
    „Ich wollte dir dein Vertrauen zurückzahlen. Das hätte ich schon längst tun sollen.“ Pierre ging zur Anrichte und kam mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern zurück. Seine Hände waren ruhig, als er die Flasche öffnete, einschenkte und Julian ein Glas reichte.
    „Erzähl mir von … deinem Blut.“
    „Damals, in der Nacht von Ceciles Tod, wusste ich es noch nicht. Dass ich die Kraft habe, meine Feinde mit meinem Blut zu töten, dass es sich verändert, wenn ich wütend bin oder mich bedroht fühle. Hätte ich es damals schon verstanden … ich wäre geblieben, um Jeanne in der nächsten Nacht zu töten. Aber ich geriet in Panik und lief davon.“
    „Sonst hättest du dein Leben verloren.“
    Pierre nickte gleichgültig. „Aber auch Jeanne wäre tot.“
    Julian betrachtete den roten Wein und ließ ihn langsam und gedankenvoll in seinem Glas kreisen. „Böses Blut ist eine einzigartige Waffe. Diskret. Effektiv. Absolut tödlich. Kann es sein, dass Jeanne es erfahren hat? Ist das der Grund, warum sie dich nicht gehen lassen will? Noch immer nicht, nach all dieser Zeit?“
    „Wer kennt schon ihre Gründe?“ Pierre zögerte und seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermute es“, gab er schließlich zu.
    „Böses Blut ist äußerst selten“, bestätigte Julian. „Jeanne wäre mehr als erfreut, darüber verfügen zu können. Aber dafür muss sie dich erst in ihre Gewalt bringen.“
    „Vielleicht ließ Jeanne die Leichen damals untersuchen und verstand es bereits, bevor ich es auch nur ahnte. Ich hätte beide Körper nach draußen schaffen sollen, damit sie bei Sonnenaufgang verbrennen.“ Pierre nahm einen Schluck Wein. „Von denen, die versucht haben, Jeanne zu stürzen, bin ich, soweit ich weiß, der Einzige, der entkam. Es hat seitdem nie wieder einen Aufstand gegeben. Jeanne ist noch immer die uneingeschränkte Herrscherin.“ Pierre lächelte dünn. „Von der Qualität meines Blutes einmal ganz abgesehen, weiß ich nicht, wie wichtig es ihr ist, ihre Macht zu demonstrieren. An mir. Jeanne betrachtet mich als ihr Eigentum. Sie hat Cecile gewandelt und Cecile mich. Nach den alten Regeln gehöre ich ihr, zumal sie Cecile selbst getötet hat.“
    „Hier gelten die alten Regeln nicht, das weißt du. Schon lange nicht mehr. Sie wurden von den Regeln der Gemeinschaft abgelöst.“
    „Ich weiß. Hier habe ich zum ersten Mal erlebt, dass Vampire auch ohne Zwang, Hass, Unterdrückung und Intrigen zusammenleben können. Und du warst der Erste, der ihre Gesandten abgewiesen und sich nicht ihren Forderungen unterworfen hat. Das werde ich dir nie vergessen.“
    Julian dachte an den Mann, den er vor vielen Jahren zu einem Gespräch empfing. Erschöpft, abgerissen und mit wenig mehr als seiner Haltung. Pierre stand vor ihm und erklärte offen, auf der Flucht zu sein und Schutz zu suchen. Vor Jeanne. Jeanne war eine so alte und mächtige Vampirin, dass jeder ihren Namen kannte, auch außerhalb der Grenzen Frankreichs. Sie war berühmt. Und berüchtigt. An der Hoffnungslosigkeit in seinem Blick konnte Julian ablesen, dass er diese Bitte schon viel zu oft wiederholen musste, und ihre Aussichtslosigkeit ihm nur zu bewusst war. Über die Gründe schwieg Pierre, und Julian fragte nicht. Als er ihm Schutz gewährte, zeigte sich Pierres Erleichterung nur in einer kurzen Lockerung seiner Schultern. Er verbeugte und bedankte sich und meinte, dass er nur so lange bleiben werde, bis er sich erholt habe.
    Das war nun etwa zweihundert Jahre her.
    „Ich weiß noch, wie es ist, unterwegs und auf der Flucht zu sein, auch wenn seitdem viel Zeit vergangen ist. Die Ungewissheit, ob man die nächste Nacht in einer Scheune, einem Keller oder Erdloch im Wald verbringt. Die Furcht, wann man wohl den nächsten Spender findet. Ob es eine freiwillige Spende oder eine durch Gewalt sein wird. Ich hatte geglaubt, in Straßburg bleiben zu können. In Köln. Dann in

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