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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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las und das riesige ku l turelle Angebot Berlins ignorierte. Ich blätterte durch die Se i ten und überlegte, welche Filme ich mir am Wochenende ansehen w ollte . Eigen t lich konnte ich genauso gut in einer Kleinstadt wohnen. Manchmal hatte der Geda n ke, Berlin und meine gescheiterten Beziehungen einfach hinter mir zu lassen, um in einer Kurklinik irgend wo auf dem Land zu arbeiten, eine Menge für sich.
    *
    Sonya saß bereits seit Stunden vor dem Bildschirm. Die Nacht neigte sich dem Ende, und i hr Avatar mit den violette n Haare n war tete in einem Café auf eine Ve r abredung.
    D ie Macht , die Sonya am Rand ihrer Aufmerksa m keit spürte, kam stetig näher und durfte nicht länger ignorier t we r d en . A ber als sie das Ausmaß der Gefahr erkannte, war es längst zu spät , und n och während sie ihre Kräfte sammelte, wusste sie, dass sie nicht ausreichten .
    Er war da.
    Die Zimmertür flog auf. Sonya machte den Fehler, de n Eindringling anzus e hen, obwohl sie es besser wusste. V iele graue Strä h nen durchzogen sein Haar . Er fing ihren Blick und hielt ihn fest.
    Sie erstarrte. Nicht jetzt. Nicht so. Ihr Leben, von dem sie dachte, dass es ihr gleichgültig geworden war , kam ihr plötzlich unglaublich kostbar vor.
    Er war um vieles älter und mächtiger als sie. Aber die Genugtuung, um Gnade zu betteln, würde sie ihm nicht geben. Während sie von der Macht des Älteren fest gehalten wurde , näherte sich sein Begleiter von der Seite, umfasste ihre Taille und zog sie an sich.
    „Bring sie her.“
    Es gelang ihr, den Blick loszureißen und den jüngeren Mann anzusehen. Ihr Blick bohrte sich in Augen, die sie gierig an ge starrt hatt en und nun schmer z haft hin und her rollten . Das gab ihr Hoffnung.
    Aber der Grauhaarige attackierte sie erneut, und sie war nicht länger fähig, sich gegen ihn auf zu lehnen. Sein Blick hielt sie gefangen, ihre Gegenwehr e r lahmte. Sie fiel, lag vollkommen still und ihr letzter Gedanke galt dem einen, den sie wir k lich liebte, und sie schickte ihm ihren verzweifelten Schmerz, ihr Flehen, ihre seh n süchtige Liebe.
    Aaron hatte sich während der frühen Dunkelheit erhoben. Nun stand er auf se i nem Balkon und nahm die G e räusche, den Geruch des Pazifiks in sich auf. Der Wind wehte nur schwach und zauste vergeblich an seinem Haar. Die Luft roch nach Salz, Fisch und vielem, das er nicht kannte. Er mochte das Meer, aber es blieb ihm i m mer noch fremd.
    Trotz des schönen Abends fühlte er sich bedrückt und unruhig . Er dachte an Berlin. An Sonya, die er immer noch nicht loslassen konnte . Wollte er das übe r haupt? Julian hatte ihn ge war nt, dass es alles andere als einfach werden würde.
    Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, ein Frösteln, das ihn mehr verwirrte als ängstigte. Eine Ahnung, die seinen Verstand beschlich, dann die Gewissheit, die ihn mit voller Wucht traf .
    Er spürte Schmerzen und Verzweiflung in seinem Blut. D ie Stärke ihre r Ve r bindung , trotz der Entfernung und Spanne der Zeit , übe r raschte ihn, aber er schenkte dem keine Beachtung. Denn er wusste, Sonya schwebte in großer G e fahr. Und er konnte nicht das Geringste tun , um ihr zu helfen .
    Er wehrte den Schmerz nicht ab, ließ ihn zu. Die Bilder, die gleichzeitig in ihm auftauchten, ließen ihn schreien. Da war nichts in seiner Nähe, was seinem w ü te nden Kummer standhielt . Seine Hände krallten sich um das Holz, die Balko n brüstung flog krachend nach unten. S ofort verfluchte er seine Dummheit. Zei t verschwe n dung. Er musste nachdenken. Schnell.
    Hastig griff er zum Telefon.
    *

    Am nächsten Tag telefonierte ich mit einigen Psychotherapeuten. Alle waren mehr als ausgelastet und konnte n keinen weiteren Patienten aufnehmen. Wenig s tens nahmen zwei von ihnen Christian Hartmann auf ihre W ar teliste.
    Christian kam pünktlich zu seinem Termin, immerhin. Wir saßen uns in den a l ten, froschgrün und braun karierten Polsterstühlen gegenüber.
    „Nun, Herr Hartmann ? Was möchten Sie mit mir besprechen?“
    Christian beugte sich in seinem Sessel nach vorn. „Es geht um meinen Freund. Richard. Ich weiß, dass er mich liebt. Aber Julian hat einen unglaublichen Ei n fluss auf ihn. Sie haben ihn ja kennengelernt. Richard macht, was er sagt und gehorcht ihm aufs Wort.“
    Er schaffte es i n wenigen Sekunden , genau das Thema a n zusprechen, das ich unbedingt ve r meiden wollte.
    „Herr Hartmann …“
    „Chris!“
    „Chris“, sagte ich vorsichtig, „ich weiß nicht, ob Sie

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