Novembermond
wissen, dass wir hier nur das b e sprechen können, was Sie an sich selbst verändern möchten. Ihre eigenen Beziehungs- und Erlebnismuster. Alles andere macht wenig Sinn. Wenn Ihr Freund über den Einfluss ihres Chefs unglücklich ist, sollte er selbst an einer Veränderung arbeiten. Glauben Sie, dass Richard das möchte?“
„Nein. Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.“ Chris schnaubte beleidigt.
„Was ist für Sie so … schwierig an der Beziehung zwischen Richard und J u lian?“
„Richard benimmt sich, als wäre er Julians Eigentum. Was er in gewisser Weise auch ist“, fügte er missmutig hinzu. „Und Julian mag mich nicht, was er mich die ganze Zeit deutlich spüren läßt.“
„ War um ist es Ihnen so wichtig, was Julian von Ihnen hält?“
Chris stutzte. „Mann, Sie haben ihn doch gesehen.“
„Ja“, sagte ich trocken. „Es geht hier aber nicht darum, wie ich ihn finde, Chris. Wie finden Sie ihn?“
„Sieht er nicht fantastisch aus?“
„Sie finden ihn also attraktiv“, spiegelte ich seine Aussage. Ganz ruhig und e m pathisch. Oh Mann! Das konnte nicht gut gehen.
„Natürlich.“
„Und was bedeutet das für Sie?“
„Sie stellen vielleicht blöde Fragen.“ Christians freundliche Fassade bekam tiefe Risse.
„Das ist mein Job, Chris. In der Therapie geht es um ihre Gefühle. Darum, dass Sie sich selbst besser kennenlernen. Sod ass sie sich ihrer Gefühls- und Denkmu s ter bewusst werden und verstehen, war um sie sich in bestimmten Situ a tionen so verhalten, dass es ihnen damit nicht gut geht. Und Sie sich anders en t scheiden können.“
Ich sah seinen Blick. Er hielt mich für eine dumme Psycho-Tante. Das war n a türlich sein gutes Recht, aber war um wollte er überhaupt Gespräche? Mit mir?
„Also zurück zu Ihnen. Kann es vielleicht sein, dass Sie möchten, dass Julian Sie ebenfalls attraktiv findet?“
Christian schwieg.
Neuer Versuch. „Sie haben gesagt, dass Richard Sie liebt. Was empfinden Sie für ihn?“
Er schaute mich böse an. „Eigentlich möchte ich über etwas ganz anderes mit Ihnen sprechen.“
Christian mochte es nicht, sich mit sich selbst und seinen Motiven auseinande r zusetzen. Andererseits hatte n wir heute unsere erste Stunde, und es war vielleicht noch zu früh, um ihn damit zu konfrontieren. Außerdem … ein anderes Thema als Julian? Nur zu.
„Über die Nacht-Patrouille.“
„Das Wachschutzunternehmen?“ Auf einmal spürte ich ein en dum p fe n Druck im Magen. Ich dachte an meinen B e such auf Schwanenwerder . Ging es bei der Nacht-Patrouille tatsächlich um kriminelle M achenschaften? H atte Julian deshalb unte r tauchen müssen?
„Sie unterliegen doch der Schweigepflicht, Frau Langner, oder?“, fragte Chri s t ian e r war tungsvoll.
„Nun, eigentlich ist es so …“
Aber er war tete meine Erklärung nicht ab. „Die Nacht-Patrouille wird von der Gemei n schaft der Vampire geleitet. Richard ist ein Vampir. Und Julian auch. Er ist der mächtigste von allen.“
Ich starrte Christian an. Also das war es, darum ging es wirklich. Um eine a n haltende, wahnhafte Störung. Seine W ahnvorstellungen waren seit seiner Entla s sung nicht abgeklungen , sondern unverändert stark. Christian hatte sich eine wahnhafte Welt erschaffen, die aus Vampiren und Dämonen b e stand , und würde sie vielleicht nie mehr ve r lassen.
In den nächsten Sitzungen stellte ich fest, dass Christian a uf jede Frage eine Antwort wusste . Passend in das System, das er sich aufgebaut und beschrieben hatte . Unerschütterlich. Sein Wahngebäude war abs o lut stabil. Für ihn gehörten Vampire zur Realität. Natürlich besaß er keine Kran k heitseinsicht und reagierte entsprechend ärgerlich, als ich einmal vorsichtig ve r suchte, ihm Medikamente mit ant i psychoti s cher Wirkung zu empfehlen .
Auch wenn ich es unglaublich hart und schwierig fand, immer wieder an Julian erinnert zu werden, war ich i nzwisch en froh, dass Christian Hartmann meine Termine wahrn ahm. Seine Erkrankung war viel schwerer, als wir ve r mutet hatt en .
Wenn du bis zum Hals in Scheiße steckst, dann lass den Kopf nicht hängen. Ich glaube, ich kannte diesen ermutigenden Spruch aus irgendeiner Fernsehserie, und da er mir jetzt gerade einfiel, hatte er wohl eine Menge mit mir zu tun. Ich lag auf me i nem Sofa und starrte in die Luft. Neben mir stand ein halb volles Glas Wein. Eigentlich hasste ich es, den Abend grübelnd auf dem Sofa zu verbrin gen. Da war es schon besser, spät und
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