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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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auf dem holprigen Straßenpflaster entstand, war kein Laut zu vernehmen. Es roch nach Mist, wie immer eigentlich. Hinter einer sich bewegenden Gardine sah Michael die Umrisse einer Person .
    » Ach ja, die vorwitzige alte Berta gibt’s also auch noch«, murmelte er grinsend vor sich hin. Er bog nach rechts in die Lenzgasse ein. Und kaum hatte er sein Haus, das am Kopfende der Sackgasse gelegen war, vor Augen, rannte er so schnell er nur konnte darauf zu. Er kam ans eiserne, grün gestrichene Tor und drückte die Klinke nach unten. Zunächst ließ sich die schwere Pforte nicht bewegen. Erst als sich Michael mit seinem ganzen Gewicht dagegenstemmte, öffnete sie sich knarrend und er schritt geradewegs in den mit Kopfsteinen gepflasterten Hof. Bergheim nahm die fünf steinernen Stufen zur eigentlichen Haustür in zwei großen Sätzen. Sein Herz klopfte so heftig, dass es ihm bald aus dem Hals springen würde und nach kurzem Innehalten schlug er den Türklopfer mehrmals gegen das Holz. Ruhe. Seine Ohren registrierten nur sein eigenes Japsen .
    » Bestimmt haben sie mich nicht gehört«, dachte er. So klopfte er nochmals, diesmal mit mehr Krafteinsatz. Wieder keine Reaktion – nur atemlose Stille. Nach unzähligem weiteren Anklopfen, Rufen und Trommeln gegen die Tür hörte Michael plötzlich Schritte hinter sich und eine kräftige Männerstimme sagte harsch zu ihm: »Scher dich hier weg! Landstreicher und Taugenichtse haben wir genug hier!« Schwitzend und mit Tränen in den Augen drehte sich Michael um und erblickte den alten Bauern Elzer, der mit beiden Händen eine Mistgabel fest umklammernd und Selbige drohend gegen ihn gerichtet vor ihm stand. Er wohnte im Nachbarhaus und hatte wohl den Lärm mitbekommen, den Michael gemacht hatte .
    » Erkennst du mich denn nicht?«, erwiderte Bergheim beschwörend. Der alte Mann stand urplötzlich regungslos da, ließ die Mistgabel fallen und hatte einen Gesichtsausdruck, als habe er ein Gespenst vor sich .
    » Wir dachten du seiest gefallen, wie Paul!«
    »Paul ist tot?«, fragte der Heimkehrer entsetzt .
    » Wie und wann ist das passiert?«
    »Irgendwo beim Rückzug in der Nähe von Königsberg. Er war Flakhelfer und sie hatten wohl einen Volltreffer abbekommen. Ich erhielt nur ein kurzes Schreiben von der Wehrmacht, worin mir sein heldenhafter Einsatz für das Vaterland mitgeteilt wurde.« Der Alte senkte seinen Kopf und sagte leise: »Zuerst stirbt meine Frau und dann auch noch mein Sohn.« Er legte eine kurze Pause ein, fasste sich jedoch wieder, sah Bergheim an und rief erbost: »Und von dir hatten wir seit Mitte 44 auch nichts mehr gehört!«
    »Es war einige Mal sehr knapp und in den kalten Nächten allein auf Patrouille in den Wäldern rund um Narvik und Kirkenes, jenseits des Polarkreises, hatte mich nur der Gedanke, Maria und Rosi wiederzusehen, aufrecht gehalten«, erklärte Michael, sich langsam wieder beruhigend .
    » Aber sag mir, wo sind sie? Sie sind doch nicht etwa …?« Michael stockte bei der Frage.
    »Tot meinst du?«, führte der Nachbar den angefangenen Satz fort .
    » Nein, tot sind sie nicht. Aber nachdem von dir solch lange Zeit kein Lebenszeichen kam, ist sie mit der Kleinen zum Bauern Kreismüller auf dessen Hof gezogen. Er musste nicht in den Krieg und ich hatte den Eindruck, dass Heinrich schon seit Längerem ein Auge auf Maria geworfen hatte. Na jedenfalls ist er mehrmals in der Woche bei ihr aufgetaucht und wollte nur mit ihr sprechen.«
    Michael hörte den Ausführungen seines Nachbarn geschockt zu.
    »Anfangs hatte sie ihn eiskalt abblitzen lassen, doch im harten Winter 45, als es uns wirklich schlecht ging und kaum was Essbares aufzutreiben war, gab sie schließlich seinem Werben nach und zog mit der kleinen Rosi zu ihm auf seinen Hof. Außerdem schwand von Tag zu Tag die Zuversicht, dich jemals wiederzusehen … und Rosi musste doch versorgt werden. Außer ihren Sachen und den Kleidern der Kleinen hatte sie nichts mitgenommen. Ja und seitdem ist euer Haus unbewohnt.« Elzer endete hier mit seinen Erklärungen und sah den Heimkehrer mitleidsvoll an. Michael, für den diese Wendung seines Lebens gänzlich unvorstellbar war, durchlebte nach den Schilderungen seines Nachbarn in kürzester Zeit nahezu die komplette Palette aller denkbaren Emotionen. Auf der einen Seite stieg in ihm ein unbeschreiblicher Hass gegen Heinrich Kreismüller auf, der sich einfach seine Familie unter den Nagel gerissen hatte. Doch auf der anderen Seite musste er ihm ja

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