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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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noch in seine kleine Zwei-Zimmer-Bude, um eilig die Tasche mit allem Notwendigen inklusive seiner Laufkleidung zu packen. So traf er gegen zweiundzwanzig Uhr in Mayberg ein und parkte sein Fahrzeug in der Niedergasse, am Straßenrand direkt gegenüber der Dorfkneipe.
    Aus dem Lokal drang Stimmengewirr wellenhaft mal lauter, mal leiser, begleitet von deutscher Schlagermusik, nach draußen. Doch bevor sich der junge Kommissar nach dem Zimmer erkundigen wollte, war es seine Absicht, den Fundort von Kreismüllers Mercedes, welcher noch mit farbigem Band abgesperrt war, einer weiteren Überprüfung zu unterziehen.
    Er duckte sich unter dem Absperrband hinweg und leuchtete mit seiner Taschenlampe vorsichtig in jeden Winkel des Parkplatzes, der nur im vorderen Bereich noch minimal vom Licht der gut zwanzig Meter entfernten Laterne erhellt wurde. Weller hockte sich an die Stelle, an der sie heute Vormittag den Wagen des Opfers gefunden hatten und musterte wie ein Fährtensucher jede Bodenwelle, ja beinahe jeden Stein haargenau, als erwartete er eine bisher übersehene Spur im feinen Split zu finden.
    Da knackte es im Gebüsch hinter ihm. Fritz sprang auf, drehte sich erschrocken um und erblicke nichts. Auch auf sein Rufen »Wer ist da, zeigen Sie sich« erfolgte keine Reaktion. Nur atemlose Stille. Unter der Vermutung, dass die Geräusche höchstwahrscheinlich von einer Ratte oder eine Katze stammen würden, wand er sich wieder seiner Suche zu. Ganz vorsichtig, aufgrund der an den Sträuchern befindlichen kleinen Dornen, tastete er sich im spärlichen Schein seiner Taschenfunsel behutsam und voll konzentriert in den Hecken, welche den Stellplatz mannshoch umgaben, voran.
    Wie aus dem Nichts baute sich urplötzlich eine Gestalt vor ihm im Dickicht auf und deren entsetzlicher Anblick ließ sein Blut schlagartig in den Adern gefrieren. Die weit aufgerissenen Augen der Kreatur schienen zu glühen, als er ihr ins verzerrt blickende Gesicht leuchtete. Fritz, sichtlich geschockt, machte hektisch einen Schritt zurück, stolperte über einen Begrenzungsstein und fand sich kurz darauf auf dem Rücken liegend wieder.
    Die unheimliche Kreatur setzte sofort nach, beugte sich über ihn und zischte dem Gefallenen erregt flüsternd ins Gesicht: »Ich hab ihn gesehen. Ja, er ist wieder da. Der Feuervogel kam zurück. Ich hab’s euch immer gesagt, dass er eines Tages zurückkommt!« Und so unerwartet wie der angsteinflößende Fremde auf der Bildfläche erschienen war, so schnell verschwand er wieder im Dunkel der finsteren Novembernacht.
    Weller, dem der Schrecken in alle Glieder gefahren war, benötigte noch einige Minuten, um sich schwer atmend von diesem Vorfall zu erholen. Hinter sich fand er seine Lampe auf dem Boden liegend wieder, die ihm beim Sturz aus der Hand gefallen und ausgegangen war.
    Eilig lief er auf den Gehweg und die gepflasterte Niedergasse bis zur nächsten Querstraße hinunter, doch der mysteriöse Unbekannte war spurlos verschwunden. Er kehrte um und ging langsam zu seinem Wagen zurück. Erst jetzt wurde dem Kommissar bewusst, dass er während des Vorfalls noch nicht einmal in der Lage war, seine Dienstwaffe aus dem Schulterhalfter zu ziehen .
    » Das hätte auch ins Auge gehen können«, dachte er kopfschüttelnd bei sich. Letztlich machte ihm dieser Vorfall unmissverständlich deutlich, dass es Erfahrungen gab, die auch in einer noch so guten Ausbildung einfach nicht vermittelt werden konnten, und er anscheinend diesbezüglich noch viel zu lernen hätte.
    Doch was hatte diese zischende Gestalt mit seinem Fall zu tun, beziehungsweise hatte sie überhaupt etwas damit zu tun? Weller nahm sein Gepäck aus dem Kofferraum und begab sich in der Hoffnung auf passende Antworten zur Kneipe.
    Die Wirtschaft war gut besucht. Schließlich war Freitagabend und das Angebot entsprechender, alternativer Unterhaltungsmöglichkeiten in Mayberg stark limitiert, oder besser gesagt schlichtweg nicht vorhanden.
    An der Theke, die sich links im Raum befand, standen einige Handwerker in ihrer verschmutzten Arbeitskleidung und palaverten über die Geschehnisse des Tages. An nahezu allen Tischen saßen vorwiegend Männer jeden Alters, sozusagen von achtzehn bis achtzig, die mehr oder weniger intensiv in ihre Unterhaltungen vertieft schienen.
    Die mittig im Lokal befindliche, mit rotbraun lackiertem Holz verkleidete Steinsäule, auf der in goldfarbigen Lettern Stammtisch gut sichtbar zu lesen war, wurde von einem runden Tisch umfasst. Daran

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