Novemberrot
Sekunden drückte sich der Zigarettenqualm aus der darunter liegenden Kneipe in die Kammer. Weller hatte nicht bedacht, dass auch die unteren Fenster gekippt waren. Zudem war nun auch der Lärm, den die übrigen Gäste in der Wirtschaft veranstalteten, noch deutlicher zu hören .
» Na, ob das so eine gute Entscheidung war, hier zu übernachten«, dachte der Kommissar aufgrund dieser Umstände zweifelnd bei sich und schloss es wieder. Nachdem Fritz seine Tasche ausgepackt, die Kleidung im Schrank verstaut und sich frisch gemacht hatte, knipste er die ungemütlich grelle, mit einer Hundert Watt Birne bestückte Deckenlampe aus.
Er verriegelte die Tür von außen und ging von Hunger und Durst getrieben noch einmal zurück in die Gastwirtschaft. Am linken Ende der Theke erspähte er tatsächlich noch einen freien Hocker, auf dem er sich sogleich niederließ. Rosi, die ihn direkt bemerkt hatte, kam auf Fritz zu und fragte ihn lächelnd nach seinen Wünschen. Rechts von ihm standen noch immer zwei Handwerker in ihren dreckigen Klamotten und musterten jede Bewegung, ja jedes Wort, des ihnen Unbekannten haargenau. Sie schauten regelrecht ungläubig aus der Wäsche, als sich ihr Thekennachbar nur ein Mineralwasser und dazu drei belegte Brote mit Wurst und Käse bestellte. Denn mit diesem Getränk war Weller die absolute Ausnahme im gesamten Lokal .
» Hey Pitter, warum trinke ich kein Wasser?«, fragte der Dicke den Hageren so laut, dass alle Gäste, die sich in deren Umkreis aufhielten, es unweigerlich mit anhören mussten. Sein Saufkumpan blickte ihn ahnungslos an und zuckte mit den Schultern .
» Weiß ich nich, Jupp«, antwortete er .
» Na gut, ich sags dir. Weils die Fische darin treiben!« Und mit einer provozierenden, ja abfälligen Handbewegung in Richtung des Kommissars löste Jupp das Rätsel hämisch grinsend und sein vermeintliches Opfer mit starrem Blick fixierend auf. Alle umherstehenden Gäste hielten sich ihre Bäuche vor Lachen. Der Dürre drehte sich zur Bedienung um und grölte in seiner rauen, versoffenen Stimme: »Hey Rosi, komm mach dem mal was Richtiges zu trinken!« Dazu zeigte er mit seinen schmutzigen Händen auf die Kombination vor sich, bestehend aus einem Pils und einem Klaren, welche hier wohl allem Anschein nach massenhaft vertilgt wurde. Jedenfalls hatten zahlreiche andere Gäste ebenfalls diese Zusammenstellung, im Volksmund auch das kleine Herrengedeck genannt, auf ihren Tischen stehen. Weller schaute dem Fetten mit finsterer Miene ins Gesicht und betonte scharf, dass er nur Wasser bestellt habe und sie den Fusel ruhig alleine trinken könnten.
Es schien so, als hätten die beiden Krakeler nur auf diese Art von Reaktion gewartet. Sie sprangen von ihren Hockern auf und wollten dem Fremden an den Kragen. Doch zu deren Pech hatte der junge Kommissar längst erkannt, was sich hier anbahnte und war auf die Attacke bestens vorbereitet. In Sekundenbruchteilen lag der dürre Pitter auf dem Boden und sein Kollege fand sich im schmerzhaften Polizeigriff, mit der linken, verschwitzten Gesichtshälfte auf einen Tisch hinuntergedrückt wieder. Gastwirt Pohlert, der gerade aus dem Saal zurückkehrte, ging sofort zwischen die Streithähne und beruhigte die erhitzten Gemüter.
Mit den Worten »Mensch Leute, das ist doch einer der Kommissare aus Burgstadt, die den Mord am Kreismüller untersuchen« sorgte er unter dem entsetzten Staunen der Krawallbrüder für Ruhe, die sich anschließend reumütig beim Polizisten entschuldigten, wieder ihre angestammten Plätze einnahmen und leise miteinander weiter tuschelten, ganz so, als wenn nichts geschehen wäre. Während dieser Szene war es plötzlich mucksmäuschenstill im Lokal geworden und man konnte sprichwörtlich eine Stecknadel fallen hören.
Doch nachdem sich die Lage nun wieder beruhigt hatte, schwoll der Geräuschpegel allmählich wieder auf die gängige Lautstärke an, da sich auch die anderen Gäste jetzt wieder ihren eigentlichen Themen widmeten. Eine Frauenstimme rief Rosi zu sich in die Küche und wenig später erschien diese wieder mit einem großen Teller üppig belegter Brote im Lokal. Inklusive des bestellten Mineralwassers servierte sie Fritz freundlich lächelnd die Mahlzeit und wünschte ihm einen guten Appetit.
Gemeinsam mit dem Wirt verschwand sie anschließend im Durchgang zum Saal, um kurz darauf ein schwer beladenes Tablett leerer Gläser von der Kegelbahn zum Spülen an die Theke zu bugsieren. So wie es aussah, hatte der illustre
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