Novemberrot
sich recht erinnerte, besaß Maier neben seinem Traktor nur einen alten VW Käfer.
Vertieft in die Analyse der Spuren, bemerkte der Polizist nicht, dass Frau Maier plötzlich neben ihm stand. Sie war gerade mit Geschirrspülen beschäftigt und hatte aus dem Küchenfenster erblickt, dass ein Fremder neugierig in der Hofeinfahrt herumschnüffelte. Doch einen Moment später erkannte sie den Mann als einen der Polizisten vom Vortag wieder.
In aller Eile hatte sie sich den Morgenmantel übergeworfen, war in die schwarzen Gummistiefel geschlüpft und hatte ihre zerzausten Haare mit einem grün-braun gemusterten Kopftuch bedeckt. Fritz erschrak ein wenig, als sie ihn begrüßungslos mit den Worten »Gestern Abend haben wir Ihnen nicht alles erzählt« von der Seite ansprach.
Der kleine Schreck war schnell verflogen, als der Beamte sah, in welcher Montur Frau Maier neben ihm stand und er musste sich ernsthaft zwingen, dass er nicht laut loslachte. Und wie es die beiden Kommissare bereits vermutet hatten, bestätigte sich nun, dass ihr noch etwas unter ihren Nägeln brannte .
» Heinrich war vorgestern Abend genau um zwanzig Uhr bei uns. Die Tagesschau hatte gerade angefangen. Er machte Werner das Angebot, seine Felder unter der Bedingung verkaufen zu wollen, wenn wir ihm im Gegenzug unserem Hof überschreiben. Er würde uns natürlich noch so lange hier wohnen lassen, bis wir eine neue Bleibe gefunden hätten, er sei ja schließlich kein Unmensch. Werner ist daraufhin ausgerastet und hat diesen unverschämten Menschen lauthals vom Hof gejagt. Dass er sich zum Teufel scheren solle, rief er ihm noch nach. Aber Sie müssen mir glauben, er blieb zu Hause und hat ihn nicht ermordet. Wenn Sie Zeugen brauchen, fragen Sie doch einfach das alte Gretchen von gegenüber. Sie hängt immer mit ihrer vorwitzigen Nase hinter der Gardine und bekommt eigentlich alles mit, was sich im Dorf so abspielt.« Renate Maier wirkte, als wäre eine zentnerschwere Last von ihren schmalen Schulen gefallen und blickte den Polizisten erwartungsvoll an .
» Warum haben Sie uns das nicht schon gestern Abend erzählt?«, fragte er mit einer Portion Unverständnis in seiner Stimme .
» Da mein Mann für Sie sowieso schon ein Verdächtiger war, wollte ich seine Lage nicht noch mehr verschlimmern«, antwortete sie seltsam gehemmt nach unten schauend .
» Wir überprüfen alle Aussagen und wenn ihre Angaben zutreffen, braucht ihr Mann nichts zu befürchten«, beruhigte Weller die Frau .
» Ist er auch zu Hause?«, wollte Fritz noch wissen, bevor er sich wieder auf seine Laufstrecke begab .
» Er ist nach St. Josef zu unserer Hausbank. Es geht um die Verlängerung des Kredits. Wir brauchen ihn dringend, damit wir überhaupt eine Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen.«
Aus ihren Worten klang die Angst alles aufgeben zu müssen, aber auch ein Fünkchen Hoffnung war durchaus spürbar. Fritz hatte erst ein paar Schritte nach der kurzen Verabschiedung von Frau Maier zurückgelegt, als eine alte Frauenstimme ihm laut »Herr Polizist, Herr Polizist« nachrief und er zähneknirschend umkehrte. Im gegenüberliegenden Haus von Maiers Bauernhof war eine grauhaarige Oma in geblümter Kittelschürze zu erkennen. Sie hing praktisch mit ihrem gesamten Oberkörper aus einem der im ersten Stock befindlichen Fenster und drohte jeden Moment vornüber auf die Straße zu fallen .
» Ich heiße Gretchen Kleinschmidt und ich habe den Heinrich vorgestern Abend noch gesehen. Ich weiß es ganz genau, denn die Tagesschau war gerade vorbei und plötzlich war von Gegenüber ein lautes Gezeter zu hören. Ich sah wie Werner den Kreismüller mit beiden Händen am Kragen hatte und ihn mächtig schüttelte. Der machte sich jedoch frei, sagte noch was, das ich aber nicht verstanden habe, stieg in seinen dicken Wagen und fuhr mit durchdrehenden Rädern aus der Einfahrt. Werner stand noch eine Weile einfach so da und ging dann wieder ins Haus!«
Das konnte nur die schrullige Alte sein, die Maiers Frau eben als mögliche Zeugin zum Beweis der Unschuld ihres Mannes ins Spiel gebracht hatte. Sie schien ganz begierig darauf zu sein, ihren Teil zu der mysteriösen Geschichte beitragen zu wollen. Weller, der endlich seine Runde fortsetzen wollte, dämmte ihren Redeschwall kurz und bündig mit der Bemerkung ein, dass Kollegen vorbeikommen werden, um die Aussage aufzunehmen. Nur zu gerne hätte Gretchen dem Kommissar ihre Einschätzungen und Mutmaßungen detailliert zu Protokoll gegeben.
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