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Novemberschnee

Novemberschnee

Titel: Novemberschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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dem Fahrersitz um. »Halt die Schnauze«, sagte er. In seinen Augen war ein gefährliches Glitzern, wie ich es noch nie bei ihm gesehen hatte. »Wann ich fahre und wie ich fahre, ist meine Sache. Kapiert? Oder willst du es mal versuchen? Na? – Also nicht. Dann warte, bis ich zu Ende geraucht habe.«
    Nach einer Weile öffnete Jurij die Fahrertür und stieg aus.
    »Wo willst du hin?«, rief Tom.
    »Pinkeln«, antwortete Jurij. Er spuckte verächtlich aus. »Oder hast du Angst, dass ich abhaue?«
    Inzwischen hatte es wieder zu schneien begonnen, Jurij verschwand hinter einem weißen Schleier. Als er zurückkam, humpelte er stärker als vorher und verzog das Gesicht.
    »Kannst du noch fahren?«, fragte ich, während er unterhalb des Lenkrades die Zündkabel zusammenbrachte, um den Wagen zu starten.
    Er nickte. »Geht schon.«
    »Wo sind wir eigentlich?«, fragte ich weiter.
    »Keine Ahnung«, antwortete er. »Jedenfalls nicht in Australien.«
    Seine Witze waren auch mal besser gewesen.
    »Was ist mit unseren Eltern?«, fragte ich.
    Jurij zuckte mit den Achseln, während er einem dicken Ast auswich, den der Sturm auf die Fahrbahn geworfen hatte.
    »Wir müssen sie benachrichtigen«, sagte ich. »Sie müssen wissen, was mit uns ist.«
    »Sie müssen wissen, was mit uns ist«, machte mich Tom nach. Bis zu diesem Tag hatte er das nie getan. »Am besten geben wir ihnen gleich noch unsere genaue Adresse.«
    »Aber …«
    »Die Bullen hören die Telefone ab, jede Wette«, unterbrach mich Tom.
    »Heißt das …«
    Wieder unterbrach mich Tom. »Das heißt, dass deine Mutti und dein Vati noch ein bisschen auf deinen Anruf warten müssen.«
    »Lass Lina in Ruhe«, knurrte Jurij.
    Tom lachte hämisch. »Alte Liebe rostet nicht«, sagte er. »Was, Jurij?«
    Der schwieg. Aber ich sah, wie seine Hände sich um das Steuer krampften.
    Vor uns verschwand die Straße in einem Wirbel weißer Flocken. Das Gebläse der Heizung pustete mir warme Luft ins Gesicht. Normalerweise wäre ich jetzt eingeschlafen, früher konnte ich das überall. Aber an Schlaf war nicht zu denken, ich war hellwach. Für einen Moment wünschte ich mir, dass dort vorn in dem dunklen Loch, auf das wir beständig zufuhren und das wir nie erreichten, alles zu Ende war. Dass die Straße ins Nichts wegkippte. Zusammen mit den Bäumen und dem Auto. Und mit uns.
     
    Sie meinen, dass wir sogar jetzt noch eine Chance gehabt hätten, aus der Geschichte einigermaßen glimpflich rauszukommen? Dass wir von der nächsten Telefonzelle aus die Polizei hätten rufen können? Dass zumindest ich Aussicht auf eine milde Strafe gehabt hätte? Schließlich war Tom in der Bank gewesen, nicht ich. Das Auto hatte ich auch nicht geklaut, das hatte Jurij getan. Und vorbestraft war ich nicht, ich war noch nicht mal wegen Schwarzfahren aufgefallen.
    Mag sein, Sie haben Recht. Aber auf unserer Flucht in dem gestohlenen Auto konnte ich nicht normal denken, mir wirbelten die Gedanken durch den Kopf wie die Schneeflocken vor der Windschutzscheibe. Jurij hatte genug damit zu tun, den Wagen auf der Straße zu halten. Und Tom? Der saß hinten und gab keinen Laut von sich.
     
    Es ging auf zehn zu, da sagte Jurij plötzlich: »Das Benzin ist alle.«
    »Wie weit reicht es noch?«, wollte Tom wissen.
    »Vielleicht zwanzig oder dreißig Kilometer.«
    »Wir halten an der nächsten Tankstelle. Geld haben wir ja genug«, sagte Tom.
    »Und wenn keine kommt?«, fragte ich.
    Er gab keine Antwort. Aber das war nichts Besonderes, das machte er oft.
    Natürlich fanden wir keine Tankstelle, die geöffnet hatte. Wie auch an diesem verfluchten Mittwoch. Das heißt, zweimal glaubten wir Glück zu haben. Doch beide Tankstellen hatten geschlossen. Wir hatten Geld, fast fünfzigtausend Mark, wir hätten damit bis ans Ende der Welt fahren können. Und jetzt kriegten wir kein Benzin, nicht einen Liter. Das war schon fast wieder komisch.
    Irgendwann begann der Motor zu stottern, Jurij kuppelte aus und steuerte den Wagen auf den Randstreifen. Wir befanden uns irgendwo in einem ausgedehnten Waldgebiet, weit und breit war kein Licht zu sehen.
    »Und nun?«, fragte ich.
    »Was weiß ich«, stöhnte Jurij. »Laufen kann ich jedenfalls nicht.«
    »Einer muss zur nächsten Tankstelle gehen«, sagte Tom.
    »In Ordnung, ich mach’s«, sagte ich.
    Tom schüttelte den Kopf. »Glaubst du, ich bin blöd? Du rufst Mami und Papi an und dann haben wir die Bullen auf dem Hals.«
    »Dann geh du«, schnauzte ich ihn an.
    »Und euch lasse

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