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Novemberschnee

Novemberschnee

Titel: Novemberschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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Tom.
    Als wir das Auto nach einem kurzen Sprint erreichten, saß Jurij schon auf dem Fahrersitz und ließ den Motor laufen. Wahrscheinlich hatte er ihn kurzgeschlossen oder wie das heißt. Tom stieg hinten ein, ich sprang auf den Beifahrersitz. Und Jurij gab Gas.

5.
    Mann, war mir kalt. Noch nie im Leben hatte ich so gefroren. Obwohl Jurij die Heizung auf die höchste Stufe gestellt hatte, begann ich mich von den Füßen her in Eis zu verwandeln. Wir waren auf der Flucht, waren Bankräuber, die eine Sparkasse um fast fünfzigtausend Mark erleichtert hatten. Dass uns ein ängstlicher Kassierer das Geld geradezu aufgedrängt hatte, spielte keine Rolle mehr. Wer ein reines Gewissen hat, braucht kein Auto zu klauen und zu verschwinden.
    Es hatte genügend Gelegenheiten gegeben, aus der Sache auszusteigen. In der Bank. Im Steinbruch, als wir die Polizei kommen hörten. Sogar noch am Supermarkt. Aber wir hatten unsere Chancen verpasst. Mit jedem Kilometer, den wir zwischen uns und den Ort des Überfalls legten, wurde der Fall eindeutiger, sank die Aussicht auf einen Ausweg aus der Geschichte. Jetzt blieb uns nur eins: Wir mussten ein Versteck finden. Und zwar schnell.
    Ich verkroch mich tiefer in meinen Anorak. Niemand im Wagen sprach. Jurij war ein guter Fahrer, ihm schien der Schnee auf der Fahrbahn nichts auszumachen. Wenn mir nicht so kalt gewesen wäre, hätte ich ihn bestimmt gefragt, woher er das konnte.
    Der Schneefall hatte inzwischen ganz aufgehört, im Licht der Scheinwerfer ließ der nach wie vor starke Wind weiße Fahnen über die Straße tanzen. An freien Stellen hatten sich erste Schneewehen gebildet. Jurij musste einige Male abbremsen und sie vorsichtig umfahren. Außer uns waren nur wenige Leute unterwegs, wer vernünftig war, hatte seinen Wagen stehen lassen.
    Unsere Fahrt verlief fast ohne Zwischenfälle. Einer allerdings trieb mir den kalten Schweiß auf die Stirn. Es passierte nämlich genau das, wovor wir am meisten Angst hatten: Uns begegnete ein Streifenwagen, hinter einer lang gezogenen Linkskurve tauchte er plötzlich auf, und weit und breit gab es keinen Waldweg oder Fabrikhof, auf dem wir uns hätten verstecken können. Kaum erfassten unsere Scheinwerfer die grün-weiße Lackierung, rutschte ich tiefer in meinen Sitz, am liebsten hätte ich mich im Handschuhfach verkrochen.
    Doch wir hatten Glück (oder auch nicht, wie man’s nimmt). Die beiden Polizisten schauten nur kurz zu uns herüber und drehten ihre Köpfe dann wieder gelangweilt weg. Jurij sah viel jünger aus als achtzehn. Das hätte ihnen trotz der Dunkelheit auffallen müssen. Es wäre für uns alle besser gewesen, wenn sie uns da schon geschnappt hätten. Viel besser.
    Während mir beim Anblick der Polizisten fast das Herz stehen geblieben war, schien Jurij von dem Vorfall nicht besonders beeindruckt zu sein. Er verringerte nicht einmal die Geschwindigkeit. Doch er ließ in den nächsten Minuten den Rückspiegel nicht aus den Augen. Als hinter uns auch nach einer Viertelstunde kein Blaulicht aufgetaucht war, sagte er: »Ich brauch ’ne Zigarette.«
    »Ich hab keine«, sagte Tom.
    »Ich auch nicht«, sagte ich. Normalerweise rauchte keiner von uns.
    »Dann kauft mir welche!«, brach es aus Jurij heraus. Seine Hände, die das Lenkrad umklammert hielten, zitterten. Auf seiner Stirn standen dicke Schweißtropfen. Offenbar hatte ihn die Begegnung mit dem Streifenwagen doch mehr mitgenommen, als ich gedacht hatte.
    »Reg dich ab«, sagte Tom. »Siehst du hier vielleicht irgendwo einen Automaten?«
    Jurij trat so heftig auf die Bremse, dass wir mindestens fünfzig Meter weit schlitterten, uns dabei drehten und schließlich schräg zur Fahrbahn an einer Böschung zum Stehen kamen.
    »Du Arschloch!«, brüllte er Tom an. »Ohne Zigarette fahr ich nicht weiter! Du hast uns in die Scheiße reingebracht. Du allein! Also besorg mir verdammt noch mal ’ne Zigarette!«
    Tom blieb erstaunlich ruhig, es hätte mich nicht gewundert, wenn er zu pfeifen begonnen hätte. »Guck mal im Handschuhfach nach«, sagte er zu mir.
    Das Handschuhfach war nicht abgeschlossen. Und es lag tatsächlich eine Packung Zigaretten drin. Filterlose. Sogar ein zerbeultes Zippo fand ich.
    Jurij steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie mit dem Feuerzeug an und inhalierte tief. Dann bekam er einen solchen Hustenanfall, dass ich Angst hatte, er erstickt.
    »Weiter!«, sagte Tom.
    Jurij reagierte nicht.
    »Weiter!!«, befahl Tom.
    Jurij drehte sich auf

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