Novizin der Liebe
Waffenkammer, in den Ställen oder auf dem Exerzierplatz. Was auch immer er gerade tut, sag ihm, dass ich ihn auf der Stelle zu sehen wünsche. Wir müssen Philip finden. Er kann nicht weit fort sein. Außerdem ist es gewiss bald Zeit für seine nächste Mahlzeit.“
Gudrun drückte die Hand an ihre Brust. „Höchste Zeit“, seufzte sie und zuckte zusammen. Das Gesicht angespannt vor Sorge, lief sie hinaus.
Minuten später stand Cecily in Emmas blaues Wollkleid und einen cremeweißen Schleier gehüllt am Schandpfahl auf dem Dorfplatz. Alle suchten Philip, doch seit er am frühen Morgen zum letzten Mal gefüttert worden war, hatte niemand auch nur die geringste Spur von ihm entdeckt. Wo konnte er sein? Oder, schlimmer noch: Wer konnte ihn entführt haben?
Brian kam auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. „Es tut mir leid, Mylady“, sagte er. „Niemand hat ihn gesehen.“
Die Tür des Küchengebäudes war geschlossen. Ihr sechster Sinn veranlasste Cecily zu fragen: „Brian, hast du auch mit Lufu gesprochen?“
„Ja, Mylady. Doch sie kann uns auch nicht helfen.“ In einer Geste der Hilflosigkeit breitete er die Hände aus. „Es ist ein Rätsel. Vielleicht weint der kleine Philip, wenn er Hunger hat, und dann werden wir ihn hören.“
Cecily nickte und wandte sich ab. Ihr Herz war schwer wie Blei. Philip musste irgendwo sein. Ein so winziges Kind – ein Säugling, der noch nicht einmal krabbeln konnte – konnte sich kaum allein verirren. Wäre Adam nur nicht nach Winchester geritten! Aber nein, was dachte sie da nur? Adam durfte nie erfahren, wie groß ihre Sorge um Philip wirklich war … und sie durfte nicht vergessen, dass Brian, so freundlich er auch sein mochte, Adams Gefolgsmann war, nicht ihrer. Sie musste ihre tiefe Besorgnis vor ihm verbergen. Sie konnte sich erlauben, beunruhigt zu wirken, doch nicht außer sich vor Sorge …
Irgendjemand musste etwas gesehen haben! „Hat jemand mit Edmund gesprochen?“
„Den hab ich heute Morgen noch nicht gesehen, Mylady.“
„Das habe ich mir gedacht.“ Ihr Blick wanderte zurück zur Küche. Grauer Rauch stieg aus dem Abzugsloch im Strohdach und vermischte sich mit den dunklen Wolken, die der Nordwind vor sich hertrieb. Wie seltsam. Auch sie hatte Edmund nicht gesehen. Von blinder Hoffnung getrieben, raffte Cecily ihre Röcke und hielt auf das Küchengebäude zu.
Lufu kniete vor dem Backofen, eifrig beschäftigt damit, ihn auszukratzen. Als Cecily eintrat, hockte sie sich auf die Fersen und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, was schmierige Aschespuren hinterließ. „Ich hab diesem Brian schon gesagt, dass ich Philip nicht gesehen habe“, erklärte sie, das Kinn trotzig vorgeschoben.
Cecily sagte nichts, blickte dem Mädchen nur geradewegs in die Augen. Lufu wusste etwas über diese Sache, das könnte sie schwören …
Die junge Frau ließ das Kratzeisen fallen und erhob sich. „Ich habe ihn nicht gesehen, Mylady, Ehrenwort. Seit gestern Abend nicht.“ Sie wischte sich die Hände an den Röcken ab und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sag mir, warum ich dir nicht glaube.“
Etwas vor sich hinmurmelnd, drehte Lufu sich zum Arbeitstisch um.
„Wie bitte?“
„Woher soll ich wissen, warum Ihr mir nicht glaubt?“, fragte Lufu und wirbelte herum. „Ich sage die Wahrheit. Ich habe den Kleinen seit gestern Abend nicht gesehen!“
„Du magst Philip nicht gesehen haben, doch du weißt, wo er ist.“ Schweigen. „Nicht wahr?“ Noch immer Schweigen. Cecily holte tief Atem. „Lufu, wir reden hier über meinen Bruder. Ein Säugling. Einer, der zu früh geboren wurde und aller Fürsorge bedarf, die er bekommen kann.“
Schweigen.
„Edmund hat ihn, nicht wahr?“
Lufu hob die Hand an die Stirn und hinterließ eine weitere Aschespur auf ihrer Haut. Sie nahm einen Holzlöffel vom Arbeitstisch, legte ihn wieder zurück und verschränkte abermals die Arme vor der Brust.
„Lufu, um des Mitleids willen!“
„Also gut! Edmund hat ihn. Doch er ist in Sicherheit, Mylady. Edmund wird Eurem Bruder nichts zuleide tun. Er ist der rechtmäßige Thane dieses Ortes, und das ist es, was sie wollen.“
Sie? Cecily schloss die Augen. Lufu musste Judhael und die angelsächsischen Aufständischen damit meinen. „Der rechtmäßige Thane“, murmelte sie und öffnete die Lider. „Ich bin seine Schwester, Lufu. Thane Edgars Tochter. Was glaubten sie, dass ich mit ihm anstellen würde?“
Lufu zuckte die Schultern. „Er
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