Novizin der Liebe
Pflastersteine.
Ich muss zur Kathedrale, ich muss … schwor Cecily sich, als sie am Marktkreuz und einigen Käfigen voll gackernder Hühner vorbeiritten. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander, und sie sehnte sich mit einem Mal zurück in die friedliche Abgeschiedenheit ihres Klostergartens. Ihre Lippen zuckten. Jahrelang war es ihr größter Wunsch gewesen, Teil dieses lebhaften Treibens zu sein, und nun, da sie sich mittendrin befand, machte es sie schwindlig und hinderte sie am klaren Denken.
Denk nach! Denk nach! Wie gelangst du unbeobachtet in die Kathedrale …?
Adam Wymark lenkte seinen Fuchs in eine Gasse, und sie erreichten den Vorhof der Kathedrale. Als habe man einen Vorhang hinter ihnen zugezogen, verebbten das Stimmengewirr und der Lärm des Marktes.
Ruhe. Gott sei Dank, dachte Cecily und gestand sich verlegen ein, dass wohl doch mehr von einer Nonne in ihr steckte, als ihr bewusst gewesen war.
Sie blieben vor einem langen Steingebäude stehen, das einst der sächsischen Königsfamilie als Residenz gedient hatte. Der Königspalast. Ein steinerner Bogen umrahmte das massive Eichenholzportal, das mit eindrucksvollen Schnitzereien von Blättern und Früchten geschmückt war. Eine Freitreppe führte in den zweiten Stock, wo, wie Cecily vermutete, die Privatgemächer des Lehnsherrn ihres Vaters gelegen hatten, des im Kampf gefallenen Harold of Wessex.
Heute war der Palast der Könige – der angelsächsischen Könige von Wessex – zum Bersten voll, gerade so, als habe sich Herzog Wilhelms gesamtes Eroberungsheer darin versammelt. Trotz des geborgten Mantels erstarrte Cecily das Blut in den Adern, und die Stimme, die sie auf dem Markt zu hören geglaubt hatte, wurde aus ihren Gedanken vertrieben. War denn gar nichts heilig?
Adam Wymark saß ab, reckte sich und bot ihr seine Hand an. Der bittere Ausdruck in ihren Augen entging ihm nicht. „Nicht, was Ihr erwartet hattet?“
Cecily schluckte und versuchte, ihren widersprüchlichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. „Ja … nein …“ Sie probierte es erneut. „Es ist nur … Das ist unser königlicher Palast!“
„Letzten Monat war er das noch“, entgegnete Herzog Wilhelms Ritter, das Gesicht vom Nasenschutz des Helmes halb verdeckt. Er streckte die Arme aus, um Cecily aus dem Sattel zu helfen. „Jetzt ist er unser Hauptquartier.“
„Das sehe ich.“ Seine Hände waren rot vor Kälte. Er ließ sie noch eine Weile auf ihrer Taille ruhen, um Cecily Halt zu geben, und einen Augenblick lang war es, als gebe es nicht genug Luft auf dem Hof. Unverwandt starrte Cecily auf seine gepanzerte Brust. Sie war sich seiner Gegenwart nur allzu bewusst, seiner überlegenen Größe, der Kraft und Geschmeidigkeit seines Körpers unter dem Kettenhemd, der Breite seiner Schultern. „Vielen Dank, Sir Adam.“ Die Nähe dieses Mannes war höchst beunruhigend.
„Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr mich mit meinem Taufnamen ansprechen würdet“, sagte er leise, nur für ihre Ohren bestimmt.
Verwundert hob sie den Blick. Er nahm den Helm vom Kopf und schob die Kettenhaube zurück. Offenbar wartete er auf ihre Antwort, in aller Demut, wie es schien. Cecily ließ sich jedoch nicht einen Augenblick lang täuschen. Dieser Mann war ein Krieger. Sie schluckte. „Aber Sir, d…das wäre nicht schicklich.“
Seine Mundwinkel hoben sich, seine Augen funkelten, und sie spürte, wie eine Hand flüchtig die ihre berührte. „Nicht schicklich? Ihr habt mir die Ehe angetragen, nicht wahr, Lady Cecily?“
„I…ich …“
Ein Ausdruck der Ernüchterung legte sich auf sein Gesicht. „Habt Ihr Eure Meinung geändert?“
Cecily biss sich auf die Lippen. Er hatte seiner Stimme einen bewusst sachlichen Klang verliehen, hatte die Frage in einem Ton gestellt, als erkundige er sich nach dem Wetter, doch warum beobachtete er sie dann wie ein Habicht? Weil das seine Art war.
„Ich … nein, ich habe meine Meinung nicht geändert.“
Wenn er sie nur nicht so ansehen würde! Es trieb ihr das Blut in die Wangen und bereitete ihr Unbehagen. Hatte er ihren voreiligen Heiratsantrag ernst genommen? Diesen Eindruck hatte sie nicht gehabt, doch nun nahm sie eine Anspannung in ihm wahr, so als sei ihre Antwort von Bedeutung für ihn. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie hatte keine Mitgift, und er war bereits im Besitz der Ländereien ihres Vaters.
Was war der Ritter, dem sie die Ehe angetragen hatte, für ein Mensch? Er besaß ein anziehendes Äußeres, kein
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