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Noware (German Edition)

Noware (German Edition)

Titel: Noware (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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weißen Hemd.
    Dann kommen die Frauen aus dem
Harem. Mit zerrissenen Kleidern oder völlig nackt, werden sie unter
lautem Gröhlen aus dem Zug gestoßen. Vier, fünf von ihnen ...
und dann ...
    Mein Körper verkrampft sich.
Mein Hirn weigert sich, meinen Augen zu glauben.
    Da ist Jo. Mein Sohn. Zwischen
den Kurtisanen. In Frauenunterwäsche, die ihm in Fetzen am Körper
hängt.
    In diesem Moment muss ich an
Krimhild denken, wie er aus dem Harem kam. »Für jeden Geschmack ist
etwas dabei«, hat der König gesagt.
    Meine Hände schmerzen, weil
ich sie zu Fäusten balle, obwohl ich mich an dornige Ranken
klammere.
    Als die Sanktis anfangen, dem
König, meinem Sohn und dann den restlichen Jungs lebend die Haut
abziehen und zwischendurch die Kurtisanen in den Blutpfützen zu
vergewaltigen, verweigert mein Verstand endgültig den Dienst, und
ich rutsche langsam den Hang hinunter.
    Ein Wachtraum gaukelt mir vor,
der Sachbearbeiter vom Jugendamt hätte mich zu sich gerufen, um mir
mitzuteilen, dass Jo nunmehr alt genug sei, um selbst Geld zu
verdienen, und man habe auch schon einen Job für ihn, der seinen
Fähigkeiten entspreche. Ich zerbeiße dem Beamten die Gurgel und
esse ihn einfach auf.
    Die Sonne steht deutlich höher,
als ich wieder zu mir komme, zitternd am ganzen Leib. Feuchtkalte
Nüstern eines Pferdes lassen mich zurück zucken. Es schnauft, und
ich liege im Graben neben der Strecke. Ich kann unter dem ICE
hindurch sehen, wie drüben Leute hin und her gehen, ohne Eile, als
wäre nichts geschehen, niemand gestorben, nirgendwo Blut.
    Mein Blick fällt auf das
Pferd. Ein Brauner, mit Zaumzeug, aber nicht festgemacht. Kein
Fabeltier in einem sonderbaren Traum, sondern stinkend und echt.
    Ich denke nicht nach. Ich
ergreife die Zügel, streichle dem Pferd die Nase, richte mich
langsam auf. Führe es entlang des Gleises. Meine Knie zittern, wir
sind viel zu laut. Hundert Meter sind es bis zum Güterzug, der
einigermaßen Sichtschutz bietet, hoffentlich.
    »Halt!«
    Ich fahre herum, sehe das
falsche Ende einer Pistole.
    Oben auf dem ICE kniet eine
Wache. Das war's. Ich bin fertig. Mit letzter Kraft gelingt es mir,
mir nicht in die Hose zu machen.
    Wieso schießt der Kerl nicht?
    Gegen die Sonne muss ich
blinzeln. Dann erkenne ich Hans. Er senkt die Waffe.
    »Lauf«, sagt der Hüne, zeigt
Richtung Süden. »Schnell.«
    Zwei, drei Sekunden vergehen.
Dann nicke ich und führe das Pferd weiter.
    Das Ende des Güterzugs
erreiche ich nach scheinbar unendlich vielen Stunden, dabei sind es
nur Sekunden.
    Ein Schuss peitscht neben mir
ins Gleisbett. Ich zucke zusammen, fahre herum. Sehe, wie Hans auf
mich schießt. Wie Krimhild gestern Abend auf ihn.
    Ich renne, stolpere, lasse die
Zügel fahren, fange mich an der eiskalten Stahlschiene ab. Hans
schießt immer noch, dann hört er plötzlich auf.
    Er muss nachladen, schießt es
mir durch den Kopf. Jetzt oder tot.
    Ich ziehe mich hoch, schaffe es
irgendwie auf den Rücken des Pferdes, zische irgendwas, und es rennt
los, obwohl ich nicht weiß, was ich tue, niemals geritten bin, eine
Scheißangst habe, mir den Hals zu brechen.
    Dann sind wir hinter dem
Güterzug. Aber längst nicht in Sicherheit.
    Niemals mehr und nirgendwo.
    Sendeschluss.

BIKEPUNKS
    Für Thomas
    »Gefääälle!« Alder
Opel jubelt wie eine hyperaktive Sirene.
    Ich hebe den Blick, wische
Schweiß fort; auf den Lippen Salz, der Geschmack der Steigung.
    Vor uns liegt die Kuppe des
Hügels. Ich kenne die Stelle von früher: Hier beginnt das lange,
steile Gefälle der Autobahn 43, von den Ausläufern der bergischen
Höhen hinunter ins Ruhrtal. Damals rollten glänzende Blechkisten
über geflickten Asphalt. Heute gehört die Straße uns, den
Bikepunks.
    Wir lassen rollen. Den meisten
Kameraden bleibt nichts anderes übrig, weil ihre Bremsen nicht
funktionieren.
    Abwärts, Wind im Gesicht, der
angeschweißte Einkaufswagen klappert im Rücken, Vorräte klimpern,
das Vorderrad wummert, der Lenker stößt blaue Flecken in die
Handteller. Vor dem Sendeschluss: Bloß kein Stau. Heute: Bloß nicht
den Hals brechen.
    Das Gefälle ist der Kick. Auch
ich heule, kreische, fühle mich frei, nur für ein paar Momente,
gebe mich in die Hände der Gravitation. Schweiß trocknet, Wind
kühlt, Augen tränen. Unten im Tal glitzert der alte Stausee, auf
der Gegenfahrbahn schiebt eine andere Gruppe ihre Bikes die Steigung
rauf, bewirft uns mit Missgunst, Flüchen und einer Hand voll Müll.
    Auf der Standspur liegt ein
Wrack; sieht aus wie

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