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Noware (German Edition)

Noware (German Edition)

Titel: Noware (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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waren beide.

    *
    Kein Traum. Das Geballer
ist echt.
    Der Angriff kommt immer im
Morgengrauen. Ich springe auf, schwanke, weiß nicht, was ich zuerst
tun soll.
    Vielleicht Schuhe anziehen. Ich
will nicht auf Socken sterben.
    Draußen Schreie. Johlen.
Kreischen. Immer lauter.
    Aus dem Abteil, den Gang
entlang, die Stufen ... nur raus hier.
    Draußen die Dämmerung; ein
hellgrauer Streifen über der anderen Seite des Tals. Kalte Luft
strömt in meinen trockenen Mund.
    Die Jungs laufen durcheinander,
suchen Deckung.
    Dann sehe ich die anderen.
Unten, auf der Straße. Es müssen die Sanktis sein, sie kommen von
Norden, auf Inlineskatern, mit Pistolen und Messern.
    Die rollenden Angreifer flitzen
die Straße herunter, ballern wahllos in Zelte, Bäuche und auf den
ICE. Dessen Wände sind nicht dafür gemacht, Projektile aufzuhalten.
    Ich muss hier weg. Eile wieder
in den Zug, mache mich an der Tür auf der anderen Seite zu schaffen.
Irgendwie bekomme ich sie auf, springe auf die Schwellen des hinteren
Parallelgleises hinunter. Links steht in einiger Entfernung unser
Güterzug, rechts führen die Schienen Richtung Goar, geradeaus ist
die steile Wand des Tals, bewachsen mit Gestrüpp, niedrigen Bäumen,
weiter oben Weinreben.
    Ich stürme vorwärts, ins
steile Unterholz, vergesse völlig, die Tür hinter mir zu schließen,
halte mich an stacheligen Ranken fest, den Kampfeslärm in meinem
Rücken. Das Erdreich gibt unter mir nach, ich rutsche, werfe mich
vorwärts, nach oben, bloß nicht zurück.
    Als mir die Beine versagen,
mein Herz dröhnt, meine Hände blutig sind, bleibe ich einfach im
Gestrüpp hängen, leidlich versteckt.
    Ich bin ein Feigling. Ich
wollte Jo finden, stattdessen bin ich auf der Flucht vor einer
schießwütigen, vermutlich hungrigen Bande, die auch mich hier
erwischen wird, wenn der Angriff nicht zurückgeschlagen wird. Es ist
nur eine Frage der Zeit.
    Wenigstens kann ich von hier
oben über das Dach des Zuges hinweg sehen, was passiert. Die
zunehmende Helligkeit des Morgens beleuchtet eine unwirkliche
Szenerie. Die Jungs des Königs haben sich verschanzt, verteidigen
den Zug. Sie ballern auf die Sanktis auf ihren Skates, Jungs beider
Seigen liegen so gut wie oder tot auf der Straße. Mehr Fleisch.
Fragt sich nur, für wen.
    Die Skater scheinen sich
zurückzuziehen, es kehrt gespenstische Ruhe ein, die verdammt
vorübergehend klingt.
    Langsam drängt sich ein neues
Geräusch in die Stille. Ein vielfaches Klappern, rollendes Eisen,
heiseres Johlen. Es kommt von links, ich halte mich fest, strecke den
Kopf hinaus ...
    In diesem Moment klettert die
Sonne über den gegenüberliegenden Rand des Rheintals, blendet mich.
Ich glaube nicht, was ich da gesehen habe. Aber ein paar unserer
Jungs, die sich auf erhöhte Posten begeben hatten, haben dasselbe
gesehen, denn sie schreien, gestikulieren.
    Auf dem linken Gleis rollt ein
Zug heran, fünfspännig. Schweißnasse Pferde vor einem Güterwagen,
augenscheinlich mit Blechen gepanzert, versehen mit Schießscharten.
Ein zweiter, flach und leer. Unsere Nemesis auf Schienen, und sie
kommt schnell näher. Die Züge im Rheintal fuhren seinerzeit
langsamer, scheint mir.
    Schon ist der Sankti-Express
auf Höhe des ICE, außerhalb der Schussbahnen unserer Jungs, da
stolpert eines der Pferde auf den Schwellen, bricht zusammen, wird
vom Wagen überrollt. Die ganze Fuhre bremst scharf ab, kommt zum
Stehen, vielleicht sogar absichtlich, denn die Pferde sind plötzlich
frei. Ein kleiner Trupp donnert eine Stahlstrebe seitlich aus dem
Wagen, hinein in das dünne Gehäuse des ICE. Sekunden später
stürmen zwei Männer mit Vorschlaghämmern aus dem Wagen,
balancieren auf der Stahlstrebe, schlagen Scheiben des ICE ein,
bahnen einen Weg.
    Des Königs Palast wird
geentert.
    Drüben versuchen unsere Jungs,
auf das Dach des ICE zu gelangen, um die Angreifer unter Beschuss zu
nehmen. Aber sie haben keine Leiter. Und keine Chance.
    Ich auch nicht. Zitternd kralle
ich mich im Abhang fest, kann nicht denken, nur zusehen, als wäre
das da unten ein völlig absurder Fernsehfilm, bloß die
Werbeunterbrechung kommt und kommt nicht, dabei muss ich dringend
pissen.
    Dann ist der Kampf zuende.
Unsere besiegten Jungs knien, soweit sie noch leben, auf dem Platz
vor dem Speisewagen des Königs, die Hände hinter den Köpfen,
bewacht von Sanktis, die auf ihren Skates zwischen ihnen
patroullieren.
    Der König wird herausgeführt,
in den Staub geworfen, die Schärpe ist nicht das einzige Rot auf
seinem

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