Nr. 13: Thriller (German Edition)
sprechen.“ Schnaubend steckte Tom die Zigarette wieder in den Mundwinkel.
Daniel stutzte. War sein Freund womöglich doch eifersüchtig, weil er sich mit Leander gut verstand? Jedenfalls musste er tatsächlich sehr müde sein, denn normalerweise versetzte er sich gut in Verbrechenssituationen hinein. „Engel kann Petra Schumann nicht ermordet haben. Es mag ein Gerangel gegeben haben, das ja. Schließlich beißt man einen Penis nicht so einfach durch.“
Scharf sog Leander die Luft zwischen den Zähnen ein, wohl weil er sich das Geschehene vorstellte. „Er versuchte sie abzuwehren, aber sie verbiss sich in ihn. So viel steht fest, sonst hätte sie es am Ende nicht geschafft, das Glied … Oh Mann!“
„Genau das ist der Punkt“, griff Daniel den Faden auf. „Irgendwann muss der Schmerz so groß gewesen sein, dass Michael Engel keine Kraft mehr besaß, um gegen Schumann zu kämpfen. Seine Beine gaben nach, er fiel auf die Knie. Unter Umständen wurde er sogar ohnmächtig.“
Tomasz setzte sich wieder. „Die Gerichtsmedizin stellte Verletzungen auf ihrer Schädeldecke fest, aber die Kratzer und Hämatome waren nicht sehr schlimm.“
„Schumann gewann die Oberhand“, fuhr Daniel fort. „Sie setzte Engel k. o. So und nicht anders muss es sich zugetragen haben. Aber wer schnitt ihr dann die Kehle durch?“
„Michael Engel ganz bestimmt nicht!“ Leander schüttelte den Kopf. „Das erforderte eine gezielte Handlung. In seinem Zustand war er dazu nicht mehr in der Lage.“
„Jemand hat sie schachmatt gesetzt, nachdem Engel bereits kastriert war.“ Sehnsüchtig schnupperte Tom am Tabak.
„Nicht nur das. Der große Unbekannte hat auch ihre Leiche aus der Nummer 13 weggeschafft und einen Krankenwagen für seinen Kumpel gerufen.“ Daniel schnalzte mit der Zunge. „In meinen Augen kommen nur vier Personen infrage.“
„Vier?“ Fragend schaute Tom ihn an.
Unruhig lief Leander im Raum auf und ab. „Roman Schäfer steht auf meiner Verdächtigenliste ganz oben. Schumanns Leiche wurde immerhin in der Mikwe deponiert und er ist Jude.“
„Aber würde er das jüdische Ritualbad mit einer Toten entweihen?“ Daniel schloss Schäfer keineswegs aus, aber er hatte Bedenken.
„Vielleicht sieht er das anders. Eventuell wollte er sie von der Sünde der Unzucht reinwaschen, indem er sie ins Wasser legte.“ Abrupt blieb Leander stehen. „Es könnte doch sein, dass sie in seinen Augen die Schuldige ist. Sie hat seinen Freund verführt und ihn am Ende auch noch für seine Schwäche bestraft.“
„Möglich.“ Daniel legte seine Handflächen aneinander und tippte mit den Fingerspitzen gegen seine Lippen, während er nachdachte. „Ich sehe ja auch die Verbindung zwischen Schäfer und der Mikwe, aber wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.“
„Auf jeden Fall würde er alles dafür tun, dass sein persönliches Pilotprojekt, eine Hausgemeinschaft für rehabilitierte Sexualverbrecher, anerkannt wird.“ Als Leander sich in seinen Sitz fallen ließ, wich die Luft geräuschvoll aus dem Sitzpolster. „Wenn du mich fragst, ist er mit allen Wassern gewaschen. Und was ist mit Uwe Beck? Er wirkte auf mich wie ein Pitbull.“
„Hunde, die bellen, beißen nicht. Er ist nicht so hart, wie er sich bei unserem ersten Besuch gegeben hat. Sonst hätte er sich nicht vor seiner Verhaftung an Kindern, sondern an Erwachsenen vergriffen.“
„Was ist, wenn er seine krankhafte Seite weiterentwickelt hat? Manche Inhaftierten werden erst im Knast zu richtigen Verbrechern.“
„Kommt leider vor.“
„Er ist ein Sadist und vergriff sich nur an Minderjährigen, weil er Stress mit seiner Ehefrau, seinen Kollegen oder seinem Chef hatte.“ Während Leander sprach, malte er auf seinen Notizblock unruhige Linien und Kreise. „Durch die Verurteilung und die Haftstrafe ist seine Wut auf Erwachsene möglicherweise so stark angewachsen, dass er nicht länger Substitute benötigt, sondern sich seine Aggression nun auf das eigentliche Hassobjekt richtet.“
Daniel ließ seinen Kopf kreisen, weil sein Nacken wehtat. „Ungewöhnlich, aber denkbar.“
„Er sieht gewaltbereit aus.“
„Auf mich wirkte das eher wie ein Image, das er sich zugelegt hat. Eine Maske, um als stadtbekannter Pädosexueller zu überleben.“
„Manche Kriminellen passen eben nicht in die Täterprofil-Schablone. Wir sollten uns nicht zu streng ans Lehrbuch halten. Das Leben ist nie schwarz oder weiß.“ Leander zuckte mit den Achseln. „Bleibt noch
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