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Nr. 799 (German Edition)

Nr. 799 (German Edition)

Titel: Nr. 799 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuna Stern
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...«
    »Verdammt, ich weiß nicht, von wem du sprichst«, fahre ich ihm dazwischen.
    »Du lügst«, entgegnet er. »Und ich dachte, wir lieben uns.«
    Scheiße, wir sind siebzehn, will ich ihm erklären. Wir lieben uns überhaupt nicht. Wer weiß, was in der Zukunft noch auf uns zukommt. Wie lange wir zusammen durchhalten.
    Doch ich halte die Klappe und sehe zu, wie er seine Sachen einpackt.
    »Ich bin im Hotel«, erklärt er grob.
    »Schön«, entgegne ich. »Viel Spaß. Ich werde hier mal schön Ausschau nach irgendwelchen Kerlen halten, denen ich mich dann – wie hast du so schön gesagt – an den Hals schmeißen werde. Und du kannst ja Rebecca anrufen und dich bei ihr ausheulen.«
    Eine Stimme weckte mich.
    »Hanna.«
    Ich blinzelte.
    »Hanna.«
    Wo war ich?
    »Hanna.«
    Eine Hand legte sich auf mein Haar, strich es zur Seite.
    Sobald er mich berührte, fiel mir alles wieder ein.
    Ich hatte zum ersten Mal wieder geträumt, seitdem mir Doktor Aurelian P. diese seltsame Spritze gegeben hatte. Oder nein, ich hatte mich erinnert.
    »Wieso weinst du?«, flüsterte er.
    David.
    Wie war er in mein Zimmer gelangt? War es nicht abgeschlossen?
    Ich drehte mich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. Er hockte auf meinem Bett, hielt meine Hand fest umklammert und wirkte aufrichtig besorgt. »Hast du geträumt?«
    Ich nickte stumm und rückte ein wenig zur Seite, damit er neben mir Platz nahm.
    Er gehorchte, streckte die Beine aus und legte seine Arme um mich. Ganz fest hielt er mich, bis ich glaubte, dass ich nicht mehr atmen konnte. Aber ich musste mich irren. Ich brauchte schließlich nicht mehr zu atmen.
    Ich sah zu ihm hoch und lächelte ihn an. »Danke«, hauchte ich, »dass du da bist.«
    »Ich werde immer da sein, nicht wahr? Wir haben schließlich eine Ewigkeit vor uns.« Er lachte leise und gab mir einen leichten Kuss auf die Wange.
    Dabei spürte ich, wie mir warm ums Herz wurde wie schon lange nicht mehr.
    »Was hast du geträumt?«, wiederholte er seine Frage.
    »Ich ... ich ... erinnere mich«, gab ich zu, »gelegentlich.«
    Als hätte er damit schon gerechnet, nickte er ernst. »Woran genau?«
    »Ich ... erinnere mich ... an Situationen von früher. An meinen ... Freund. Oder daran ... wie ich ... gestorben bin.«
    »Oh.« Er hielt mich noch fester, als wollte er mich vor genau diesen Erinnerungen beschützen. »Wie schaffst du das nur ...«, murmelte er anschließend. »Das muss wirklich ...«
    »Es ist schrecklich.« Ich nickte. »Aber weißt du, ich glaube, am schlimmsten ist, dass ich nichts ... abgeschlossen habe, verstehst du? So viele Gespräche, die ich noch zu Ende führen musste, oder die ich ignoriert habe. So viele Streitigkeiten, denen ich mit meinem bescheuerten Humor ausgewichen bin. Ich habe mich – glaube ich – nie richtig mit jemandem versöhnt. Ich habe immer Groll gegen einige Leute gehegt, auch wenn ich das nie zugeben wollte. Ich habe mich nie dafür entschuldigt, dass ich manchmal so ... manchmal so ...« Mir fielen Bastians Worte wieder ein. »Dass ich manchmal so fies war«, vollendete ich den Satz.
    »Das glaube ich nicht«, widersprach David mir.
    »Doch. Du hast mich ja damals nicht gekannt. Ich bin mir sicher, dass ich viele Leute vor den Kopf gestoßen habe. Und irgendwie wünsche ich mir nun, dass ich das wiedergutmachen könnte. Oder ...«
    »Ja?« Er warf mir einen gespannten Blick zu.
    »Oder alles wieder vergessen könnte ...«
    Und da begriff ich, dass sie – die da oben, die Nummern Nullnulleins Schrägstrich Boss und all die anderen – aus genau diesem Grund nicht wollten, dass wir uns erinnerten. Weil es dem Wahnsinn gleichkam. Und nun, da ich schrittweise zurückgefunden hatte, zu dieser Hanna M. aus Berlin, nun wusste ich nicht, wie ich mit diesen Erkenntnissen umgehen sollte. Ich wusste nicht, wie ich weitermachen sollte, ohne ständig zurück zu schauen. Auf diese halben Momente, die mich ewig verfolgen würden ...
    Also legte ich meinen Kopf an Davids Brust und schloss die Augen, um nur wenige Momente einfach nur wieder meine Hülle zu sein, im Hier und Jetzt, im Diesseits, wo auch immer, in dieser Anstalt.

KAPITEL 16

Am nächsten Morgen schreckten wir hoch, sobald das Läuten einsetzte. Ich war in Davids Armen eingeschlafen, meine Augen ließen sich kaum öffnen. Die Tränenreste verklebten meine Wimpern. Also rieb ich mit meinem Handrücken darüber und sah meinen nächtlichen Besucher voller Unsicherheit an. Hatte sich nun alles verändert?
    Ja. Ja, dachte

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