Nubila 01: Das Erwachen
„Jetzt komm schon, Kath. Willst du riskieren, dass Violette dich bestrafen lässt? Denn ich schwöre dir, wenn du bei dieser Party irgendein Theater machst, dann wird sie dir bei lebendigem Leibe die Haut abziehen.“
Kathleen knirschte wütend mit den Zähnen und starrte Delilah an.
„ Hast du gesehen, was für wunderschöne Kleider die da draußen tragen?“, fragte Kathleen aufgebracht und zeigte in Richtung der Haupthalle. „Die Frauen tragen nur Samt und Seide und der ganze Saal ist so prunkvoll hergerichtet, dass dort sogar Könige speisen könnten. Und dann sieh mich an.“
Delilah tat, wie ihr geheißen und zuckte dann mit den Schultern. Kathleens Kleidung war zwar nicht gerade figurbetont, aber sie war zumindest sauber und roch nicht so unangenehm wie die Säcke es manchmal taten, welche die Diener sonst trugen. Außerdem waren sie blau. Die Kleidung bestand aus einer weiten Hose und einem Shirt, aber dadurch, dass alle dasselbe trugen, vermittelten sie den Eindruck von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit.
„ Du trägst dasselbe wie ich“, sagte Delilah nüchtern.
„ Ja“, lenkte Kathleen ein. „Aber an dir sieht es gut aus.“
Delilah schüttelte ungläubig den Kopf.
„ Kath“, sagte sie langsam. „Was genau ist überhaupt dein Problem?“
„ Ich bin neu“, sagte Kathleen grimmig. „Alle werden mich anstarren. Da draußen läuft eine riesige Party und man hat mir keinerlei Gelegenheit gegeben mich ein kleines bisschen hübsch zu machen. Ich werde mich zum Gespött aller machen.“
„ Kathleen“, sagte Delilah ungläubig. „Steh auf.“
„ Aber…“
„ Steh auf.“
Delilah zog sie am Arm von dem Tisch herunter, sodass sie dazu gezwungen war sich zu erheben.
„ Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass sich irgendjemand von denen da draußen für dich interessiert“, sagte sie schnippisch. „Wie kommst du überhaupt auf so etwas. Niemand wird dir überhaupt in die Augen sehen. Warum sollten sie auch? Du bist ein Nichts. Ein Niemand. Genau wie ich. Genau wie jeder andere Diener. Und jetzt reiß dich gefälligst zusammen und geh nach draußen, bevor du uns noch beide in Schwierigkeiten bringst.“
Kathleen dachte während dem Gehen über Delilahs Worte nach und gab sich dann geschlagen. Resigniert nahm sie ein Tablett mit lauter Kelchen voller Kunstblut von Delilah entgegen und ging in Richtung Saal. An der Tür atmete sie noch einmal tief durch und trat dann in das helle Licht der Kronleuchter.
Die Party war bereits im vollen Gange. Die Diener eilten zwischen den Gästen umher und sorgten dafür, dass es niemandem an irgendetwas fehlte. Sie bewegten sich so flink zwischen den Herren, dass man durchaus davon ausgehen konnte, dass diese ihre Anwesenheit überhaupt nicht bemerkten. Von den Dienern wurde erwartet, dass sie es den Herren ansahen, wenn diese noch etwas wollten und es wurde sogar erwartet, dass sie instinktiv wussten, was die Herren wollten. Im Gegensatz zu Kathleen gab es einige Diener, denen man die schwierige Aufgabe anvertraut hatte Kelche mit richtigem Blut zu verteilen.
Das war zwar riskant, aber jeder Diener wusste, dass es mit dem Tod bestraft wurde, etwas davon zu trinken. Und niemand des Hauses hatte nach Delilahs Aussage jemals gegen dieses Tabu verstoßen. Nichts konnte Kathleen jedoch davon abhalten, den Geruch, der in der Luft hing zu genießen, und ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Bevor das Gefühl jedoch überhand nehmen konnte, zwang sie sich wieder an den Menschen zu denken, den sie vor ein paar Tagen fast angegriffen hatte und sie schaffte es wieder sich zusammen zu reißen.
Glücklicherweise hatte Delilah Recht gehabt. Niemand beachtete Kathleen. Die Herren waren restlos damit beschäftigt sich miteinander zu unterhalten oder sich in den vielen Spiegeln selber zu betrachten. Sie tranken viel und amüsierten sich offensichtlich prächtig. Die Frauen trugen allesamt schöne, prunkvolle Kleider und die Männer altmodische Anzüge. Man hatte das Gefühl, als wäre man in die Zeit zurückgereist, und in einem Jahrhundert gelandet in dem sehr viel regelmäßiger irgendwelche Bälle stattfanden als heutzutage.
In der Ecke spielte eine Band, die nur aus Dienern bestand und eine junge Frau, die Kathleen vom Sehen kannte, sang dazu. Ihr Name war Dana und Kathleen hatte keine Ahnung gehabt, was für eine wunderschöne Stimme sie besaß. Im Gegensatz zu den anderen Dienern hatte man ihr
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