Nubila 02: Aufstand der Diener
irgendwo absetzen, bis wir sicher wissen, dass er die Force nicht mitgebracht hat.“
„Nein“, widersprach Kathleen verzweifelt. „Ihr dürft mich nicht zurücklassen. Jason soll von mir fort bleiben. Ich ertrage dieses Gefühl nicht mehr. Dieses Sehnen und nicht Kriegen. Dieses wollen und nicht haben können. Er soll sich mir nie wieder nähern. Ich halte es einfach nicht mehr aus.“
Alle betrachteten Kathleen voller Mitgefühl, doch jeder von ihnen wusste, dass sie keine andere Wahl hatten. Gadha fing sich als erste und räusperte sich.
„Warten wir es doch erst einmal ab“, schlug sie vorher. „Vielleicht kommt er ja gar nicht. Er wollte doch seine Unabhängigkeit zurück. Und die hat er jetzt. Im Moment zumindest ist er nicht mal ansatzweise in unserer Nähe.“
Als Cynthia hereinkam, stand Jason mit dem Kopf an die Wand gelehnt da und rührte sich nicht. Violette hatte zu Hause kein Geheimnis daraus gemacht, wo sie Jason hingebracht hatte, und Cynthia hatte die Ungewissheit einfach nicht mehr länger ertragen.
Jason trug immer noch dieselbe Kleidung wie vor drei Tagen und hatte die Blutkonserve in der Ecke nicht angerührt. Cynthia seufzte und öffnete dann entschlossen die Zelle. Sie ging zu ihm und drehte ihn mit Gewalt zu sich herum.
Er sah einfach grauenvoll aus. Sein Haar war dreckig und zerzaust, die Kleidung zerrissen und an einigen Stellen blutbefleckt von seinen ewigen Versuchen, die Zelle zu verlassen. Ohne zu zögern nahm Cynthia Jason in den Arm und nach mehreren Minuten schaffte er es endlich, sich ein wenig zu entspannen. Er legte die Arme um seine Cousine und drückte sie an sich.
„Besser?“, fragte Cynthia nach einem langen Moment.
„Viel besser“, gab Jason zurück und ließ sie schließlich los. „Danke, Cyn. Das habe ich gebraucht.“
Cynthia nickte und bückte sich dann nach ein paar frischen Kleidern, die auf dem Boden lagen.
„Hier“, sagte sie. „Die wirst du brauchen. Da ist auch ein Umschlag mit einem Flugticket und dein Reisepass. Andernfalls würde es schwierig für dich werden, pünktlich wieder in Amerika zu sein. Unser Flug geht in einer Stunde.“
Jason nahm den Umschlag entgegen und sah Cynthia dann irritiert an.
„Unser Flug? Flug wohin?“
„Nach Amerika natürlich“, erklärte Cynthia geduldig. „Ich bringe dich zurück nach Hause. Was du von dort aus tust ist deine Sache.“
„Warum hilfst du mir?“, fragte er. „Violette wird dich lynchen, wenn sie davon erfährt.“
„Ach. Das ist ja nichts Neues.“
„Hast du keine Angst, dass ich zu ihr zurückgehe?“
Cynthia zuckte mit den Schultern.
„Ich liebe dich, Jason“, stellte sie klar. „Mehr als du dir vorstellen kannst. Und definitiv mehr, als gut für mich ist. Aber gerade deswegen finde ich, dass du deine Entscheidungen selber treffen solltest. Ich musste Violette recht geben, dass es notwendig war, die Verbindung zu lösen, damit du wieder klar denken kannst. Aber die drei Tage sind um. Du bist ein erwachsener Mann, Jason. Du wirst schon das Richtige tun.“
Jason schüttelte irritiert den Kopf. Hatte Cynthia ihm gerade gestanden, dass sie mehr als nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte? Oder hatte er sie falsch verstanden?
Es war im Prinzip nicht verboten, dass Cousin und Cousine sich verbanden. Für solche Verbote gab es einfach zu wenige Angehörige der Herrenrasse und es kam sogar häufig vor, dass Eltern eine solche Verbindung unterstützten. Jason war nur einfach nie auf die Idee gekommen, dass Cynthia sich eine solche Verbindung wünschen könnte. Immerhin waren sie zusammen aufgewachsen und er hatte sie stets wie eine Schwester betrachtet. Und eine Liebesbeziehung zwischen Geschwistern war bei den Vampiren genauso verboten wie bei den Menschen.
„Cyn, ich …“, begann Jason zögerlich.
„Ist schon gut, Jason“, unterbrach Cynthia ihn. „Du solltest dich duschen und dann anziehen. Dafür reicht die Zeit noch, bevor der Flug geht.“
Jason schnellte nach vorn und drückte Cynthia noch einmal an sich.
„Danke, Cynthia“, sagte er. „Du hast ja keine Ahnung, wie dankbar ich dir bin. Du hast mir soeben das Leben gerettet.“
Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und rannte dann aus der Zelle hinaus, um sich umzuziehen. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
Als Jason im Flugzeug saß, hatte er erstmals Gelegenheit dazu, sich Gedanken darüber zu machen, was er als nächstes tun sollte. Die Verbindung zu Kathleen zu durchtrennen, war die schrecklichste
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