Nubila 05: Die letzte Schlacht
und gesellte sich dann wieder zu den Anderen, um weiter zu helfen. Betroffen betrachtete Jason indes das Porträt seiner verstorbenen Frau. Der Rahmen war nicht mehr zu gebrauchen, aber das Bild war größtenteils intakt geblieben. Es war viel Farbe abgeblättert und ein Riss prangte in der Mitte, sodass ihre Brust in zwei Hälften gerissen wurde. Doch ein fähiger Restaurateur wäre gewiss dazu imstande, das Bild zu retten.
Zärtlich strich Jason über das Karas Gesicht und dachte daran, wie es gewesen war, mit ihr zusammenzuleben. In seiner Erinnerung war es so viel einfacher als mit Kathleen. Allerdings waren die beiden Frauen auch von Grund auf verschieden, und seine Beziehung zu ihnen war völlig anderen Ursprungs.
Seine ersten Gefühle Kara gegenüber waren Bewunderung und Respekt gewesen. Er hatte ihre Schönheit und ihre Ausstrahlung geliebt und ihre ruhige, kühle Souveränität geachtet. Sie war immer so beherrscht und hoheitsvoll gewesen, dass er häufig Angst gehabt hatte, ihrer nicht gerecht zu werden, seine Beziehung zu ihr hatte er aus tiefster Überzeugung und von ganzem Herzen gewollt.
Bei Kathleen war das Gegenteil der Fall. Seine ersten Gefühle ihr gegenüber waren Frustration und Verwunderung gewesen. Sie hatte ihn vom ersten Tag an irritiert, weil sie sich einfach nicht in ihre Rolle als Dienerin einfügen wollte. Zu Anfang ihres Kennenlernens hatte er sich aufgrund seiner Rasse klar überlegen gefühlt und sie das auch spüren lassen. Doch mit der Zeit hatte er gemerkt, dass sie alles andere als minderwertig war.
Im Gegenteil. Sie hatte Attribute, die er sich nur wünschen konnte, und war in vielerlei Hinsicht stärker als er. Dennoch hatte ihre Beziehung nicht freiwillig begonnen, sondern eigentlich nur, weil er ohne die Verbindung gestorben wäre. Kathleen hatte das nicht zulassen wollen und ihm daher das Leben gerettet. Die Beziehung war insofern aus Zwang erwachsen und die Liebe erst sehr viel später gekommen.
Natürlich war Kara nicht perfekt gewesen. Sie war stolz und eitel und hatte ihn mit ihrer unnahbaren Art manchmal fast in den Wahnsinn getrieben. Aber sie hatte ihm fast nie widersprochen und alle seine Entscheidungen respektiert. Kathleen hingegen war völlig unberechenbar. Ihre Gefühle und Handlungsweisen waren ihm ein einziges Rätsel, und obwohl sie beide nach außen hin stets eine Einheit darstellten, gab es doch immer wieder Reibereien, weil Kathleen so einen verdammten Dickkopf hatte.
Jason seufzte. Es gab nur eines, was die beiden Frauen verband. Sie hatten ihn beide geliebt, und sie hegten die gleiche Hingabe zu Laney, seiner kleinen Tochter, die er über alles liebte und die genau in diesem Moment auf den Platz trat.
Jason betrachtete sie abschätzend, als sie auf ihn zukam. Als klein konnte man sie inzwischen wohl nicht mehr bezeichnen. Sie war fast 1,80m groß und wirkte durch ihren ernsten Gesichtsausdruck erwachsener, als sie eigentlich sein sollte. Ihr kurzes Haar war für ihn immer noch ein ungewohnter Anblick, aber auch mit dieser Frisur war sie wunderschön und sah ihrer Mutter schmerzhaft ähnlich. Als Laneys Blick auf das Bild fiel, wurde ihr Gesichtsausdruck weicher.
„Sie haben es gefunden“, sagte sie. „Das ist schön.“
Jason nickte.
„Ja. Das finde ich auch, obwohl Kathleen vielleicht weniger begeistert sein wird.“
„Hat sie sich denn jemals beschwert?“, fragte Laney und kniff irritiert die Augenbrauen zusammen.
Jason schüttelte den Kopf.
„Eigentlich nicht“, gab er zu. „Das konnte sie ja auch nicht. Kara ist immerhin deine Mutter.“
Laney nickte nachdenklich.
„Ich kann immer noch nicht fassen, dass ihr euch getrennt habt“, gab sie zu. „Ich verstehe es auch gar nicht. Ihr passt so gut zusammen.“
„Meinst du das wirklich? Ich habe häufig das Gefühl, Kathleen und ich wären wie Feuer und Wasser und schaffen es einfach nicht, miteinander klar zu kommen.“
„Aber du liebst Kathleen doch, oder?“
„Natürlich liebe ich sie. Und ich dachte, das wüsste sie auch. Abgesehen von dir ist sie mir das Liebste auf der Welt, und ich würde alles tun, um sie wieder zurück zu gewinnen.“
„Wirklich alles?“, fragte Laney abschätzend. „Ich hätte da nämlich eine Idee, wie es funktionieren könnte.“
„Glaubst du, dass sie sich dann wieder mit mir verbinden wird?“
„Ich glaube, die Verbindung sollte im Moment nicht dein oberstes Ziel sein, Dad. Vergiss die Verbindung. Kathleen will sich deiner Gefühle sicher
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