Nubila 05: Die letzte Schlacht
allem Angst aus. Angst um Laney und Angst um Johanna und die Outlaws, die für ihn seit jeher seine echte Familie dargestellt hatten. Selbst um Jason machte er sich ein wenig Sorgen. Der Groll, den er so lange gegen seinen Jugendfreund gehegt hatte, kam ihm inzwischen unsinnig vor. Wenn alles gut ging, dann würde Jason in Zukunft sein Schwiegervater sein, also sollte er wohl anfangen, sich gut mit ihm zu stellen. Falls er diesen Kampf überstehen sollte, gedachte er sofort damit anzufangen.
Darrek atmete einmal tief ein und wieder aus, während er zum bestimmt hundertsten Mal in dieser Stunde versuchte, seine Hände aus den Ketten zu lösen, in die man ihn gelegt hatte.
„Was du hier tust, ist vollkommen zwecklos“, erklärte Liliana, die hoch erhobenen Hauptes die Reihen der Wilden ablief, die ebenfalls in Ketten lagen. „Die Ketten sind so stark, dass nicht einmal Goliath sie zerstören könnte. Da wirst du wohl erst recht keinen Erfolg haben.“
Die Kreaturen ruhig zu halten war fast unmöglich, aber Akima wollte die Wilden keinesfalls zu früh berühren. Ihre Gabe wirkte nur drei Stunden, und wenn sie aufhörte zu wirken war nicht absehbar, was die Wilden tun würden. Vermutlich würden sie sich direkt gegen die Ältesten wenden, die sie in den letzten Monaten gefangen gehalten hatten. Das durfte auf gar keinen Fall passieren.
„Wo sind Marlene und Akima?“, fragte Darrek mit unterdrücktem Zorn. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass sie das wirklich durchziehen wollen. Das wird einem Massenmord gleichkommen.“
„Tja. Jedem das, was er verdient“, entgegnete Liliana und zuckte mit den Schultern. „Um die Kaltblüter ist es doch nun wirklich nicht schade.“
„Und was ist mit Laneys Familie und den Outlaws? Die werden genauso sterben.“
„Jedem das, was er verdient“, wiederholte Liliana und lächelte breit. „Laney leiden zu sehen wird mir das größte Vergnügen sein.“
Darrek ballte die Fäuste und musste sich zusammenreißen, um nicht loszubrüllen. Liliana hatte ihm bereits vor Tagen unter die Nase gerieben, dass sie Laney in der Nähe des Herrenhauses aus dem Helikopter gestoßen hatte. Er ging zwar davon aus, dass Anisia sie gerettet hatte, aber trotzdem mochte er sich die Qualen gar nicht vorstellen, die sie wegen Liliana durchleiden musste. So etwas würde er nicht wieder zulassen. Auf gar keinen Fall.
Gerade, als Darrek vorhatte, Liliana noch ein paar Beleidigungen an den Kopf zu werfen, ging die große Tür des Palastes auf und Akima, Marlene und Raika traten auf die Treppe hinaus. Sie sahen alle drei wunderschön aus und waren wie gewohnt von einer Aura der Macht umgeben, die ihnen in die Wiege gelegt worden war. Darrek hatte Marlene seit ihrer Erweckung noch nicht gesehen und ihm fiel sofort auf, dass sie bedrückt wirkte. Dieser Krieg war für sie kein Vergnügen, sondern eher ein notwendiges Übel, das es zu überstehen galt. Sie empfand keine Freude dabei, würde aber auch nichts tun, um das Abschlachten zu verhindern.
„Ah, Darius, mein lieber Sohn“, sagte Akima und kam mit ausgebreiteten Armen die Treppe herunter.
Einen Moment fürchtete Darrek, dass sie ihn umarmen würde, aber sie beherrschte sich, stoppte kurz vorher und sah ihn abschätzend von oben bis unten an.
„Es tut mir wirklich leid, dass wir dir diese Ketten anlegen mussten, mein Lieber. Aber du hast uns keine andere Wahl gelassen.“
„Diese Ketten sind mir lieber als die Alternative“, zischte Darrek und funkelte seine Mutter böse an. „Ich kann nicht fassen, dass du das wirklich durchziehen willst.“
„Wir haben gar keine andere Wahl, Darius. Das musst du doch verstehen. Die Diener haben uns soweit provoziert, dass wir uns wehren müssen, um unsere Machtposition zu erhalten. Kämpfen wir nicht, dann können wir genauso gut gleich unsere Krone zu Boden legen und uns in den Untergrund zurückziehen. Die Gemeinschaft der Warmblüter ist auch jetzt schon nicht mehr sonderlich von unseren Fähigkeiten überzeugt.“
Darrek schüttelte den Kopf.
„Vielleicht ist es einfach Zeit für einen Machtwechsel“, schlug er vor. „Denn du musst zugeben … Ihr drei seid auch nicht mehr die Jüngsten.“
Die Ohrfeige, die er von Akima erhielt, kam nicht unerwartet. Trotzdem hatte er sich diesen Kommentar nicht verkneifen können. Er hatte so lange unter der Herrschaft seiner Mutter gelitten, da sollte sie ruhig einmal sehen, was sie davon hatte.
„Nur wegen der paar Falten muss man doch nicht
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