Nuhr, Dieter
erwartet.
Das ist die Irrationalität der Welt, die ja schon
Nietzsche oder Hölderlin und all die andern in den Wahnsinn getrieben hat. Das
hat mit Dichtung nichts zu tun, beziehungsweise doch: Wegen einer blöden
Dichtung, die leckt, ruft man den Klempner, und plötzlich merkt man, wie
allein man im Universum ist ... also, das hat schon größte Geister in den
Wahnsinn getrieben.
Die Welt ist Wahnsinn. Selbst die physikalischen Gesetze
haben ja etwas Metaphysisches: Dass sich eine Masse - wie zum Beispiel ein Bus,
den ich noch kriegen will - immer genau dann in Bewegung setzt, wenn ich im
Laufschritt um die Ecke biege. Warum ist das so? Weil es Gott so will.
Oder eine Tüte Gummibärchen: Ich esse am liebsten die
roten - und was habe ich in der Tüte? Viel mehr weiße. Und was haben die, die
die weißen mögen? Gelbe. Das macht mir Sorgen. Wenn Gott gut ist, warum hat er
dann die gelben überhaupt gemacht - die mag doch niemand! Und dennoch! Die
Tüten sind voll damit!
Das ist doch Wahnsinn. Das ist der Punkt, an dem Nietzsche
auf die Idee kam, dass Gott tot sein müsse. Aber wissen Sie, wer wirklich tot
ist? Nietzsche. Ist doch alles durcheinander.
Samstag 31. Juli 2000
Ich möchte heute einmal ein grundsätzliches
Missverständnis aufklären. Als Gott die Schöpfung hinter sich hatte, da hat er
gesagt: »Am 7. Tage sollst du ruh'n.« Er hat nicht gesagt: »Am 6. Tage sollst
du Wagen waschen.«
Und trotzdem: Jeden Samstag stehen die alle stundenlang an
der Waschstraße ... Da denkt man immer, Menschen hätten kein Verhältnis mehr
zur Religion, aber das ist nicht wahr. Einmal in der Woche trifft sich die
spiritistische Gemeinschaft der Lack- und Polsterpfleger - und betet:
»Herrgott, gib, dass sich dieser Vogelschiss noch nicht in den Lack gebrannt
hat.«
Das sind Menschen, die ihrem eigenen Ich offenbar weniger
Aufmerksamkeit schenken als ihrem Auto. Ein guter Tipp an alle Betroffenen:
Shampoo gibt es nicht nur fürs Auto - auch gegen Schuppen! Es reicht nicht, nur
das Auto zu waschen. Es ist nicht gut, wochenlang auf die eigene Wäsche zu
verzichten - und gegen den Geruch mit einem Wunderbaum am Rückspiegel
anzustinken. Da blinkt die azuritblaue Metallic-Karosse, und drin sitzt ein
käsegrauer Fleischsack in Feinrippsonderausstattung, dem beim Fußraum-Saugen
hinten die Ritze aus der Hose quillt.
Das ist ein seltsamer Kampf: Mensch gegen Karosserie: Der
Mensch weiß, dass er sterblich ist, und also versucht er, wenigstens sein
Gefährt der Ewigkeit zu erhalten. Und wer siegt am Ende? Mr. Wash. Das ist
bitter.
Und warum eigentlich das Ganze immer samstags, wenn man
sich eigentlich auf das Wochenende freuen könnte? Warum werden am Niederrhein
immer samstags die Bürgersteige gefegt? Da werden noch die letzten kleinen
Halme mit dem Zahnstocher aus den Pflasterzwischenräumen entfernt - und das von
Menschen, die dem Zustand vor ihrem Haus offenbar mehr Aufmerksamkeit schenken
als ihren Zähnen.
Kleine Lebenshilfe: Gegen diese dunkelbraunen Stellen auf
dem Zahnschmelz hilft es nicht, Klosteine zu kauen. Das ist kein Urin-, sondern
Zahnstein; auch wenn es ähnlich aussieht. Das kann man behandeln, da fragt man
den örtlichen Henker - und ab ist die Rübe.
Aktien 15. September
2000
Gestern Abend bin ich eine Stunde zu Fuß nach Hause gegangen,
weil ich kein Geld mehr für die Taxe hatte. Jetzt sagen Sie vielleicht: »Warum
bist du denn nicht zum Bankautomaten gegangen, du Trottel!« Aber ich lasse
mich nicht Trottel nennen! Unmöglich so was! Ich hatte halt die Geheimzahl
irgendwie ...
Ich krieg sie nicht mehr zusammen. Das Problem ist, wenn
ich die Geheimzahl von meiner EC-Karte nicht mehr rauskriege, dann komme ich
im Computer auch nicht mehr an die Datei, wo ich meine ganzen Geheimzahlen
notiert habe, die habe ich nämlich auch passwortgeschützt! Und dieses Passwort
ist identisch mit der EC-PIN.
Mensch, wie war die noch mal? Ich denke immer, gleich
fällt sie mir ein, aber was ich da im Kopf habe, das ist die Nummer meiner
Kreditkarte. Die Eurocardnummer, die kann ich auswendig, denn das ist die
gleiche Nummer wie meine Fernabfrage-Geheimzahl vom Anrufbeantworter, die ich
auch als PIN für das Internetbanking benutze.
Beim Internetbanking braucht man allerdings auch noch eine
Personenkennziffer: Das ist die Benutzernummer - oder auch Teilnehmernummer,
meistens identisch mit der Kontonummer, also der Kunden-Identifikationsnummer;
Benutzername und Kennwort für die Onlineverbindung brauchen
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