Nuke City
Vermutung vor«, sagte er.
Nachdem sie rasch einige der anderen Wohnungen in dem Haus überprüft und nichts gefunden hatten, gingen Kyle und Seeks-the-Moon zum Wagen zurück. Der Wagen stand genauso da, wie sie ihn verlassen hatten, doch Kyle stieg nicht ein, sondern betrachtete sinnend das verbarrikadierte Haus auf der anderen Straßenseite. »Es würde mich interessieren, ob die Bewohner dieses Hauses etwas wissen oder gesehen haben«, sagte er.
»Sie scheinen nicht sehr gesellig zu sein«, sagte Seeks-the-Moon.
»Mag sein.« Kyle holte die Maschinenpistole unter seinem langen Mantel hervor und reichte sie dem Geist. »Wahrscheinlich haben sie nur Angst.«
»Angst ist nicht gerade der beste Nährboden für vernünftiges Denken.«
»Ich weiß«, sagte Kyle, »aber ich muß fragen.«
Seeks-the-Moon ging mit Kyle zum Rand des Bürgersteigs, dann ging Kyle allein weiter auf das Haus zu. Er hatte die Arme ausgebreitet und hielt die leeren Handflächen deutlich sichtbar nach vom.
»Hoi!« rief er, als er die Straße überquert hatte. Er erhielt keine Antwort, also ging er noch ein paar Schritte weiter. »Ist jemand zu Hause?«
Kyle sah, wie ein Stück Holz von einem der Fenster entfernt wurde, und dann konnte er vage ein Gesicht - seiner Meinung nach das einer Frau - und die Mündung einer Schrotflinte erkennen. Beide starrten ihn an.
»Was wollen Sie?« rief die Frau. Die Stimme klang sehr jung, kaum älter als die eines Teenagers.
»Ich suche nach meiner Schwägerin Ellen Shaw. Sie hat im Haus gegenüber gewohnt.« Er zeigte auf das Gebäude. »Ich glaube, meine Frau und meine Tochter sind bei ihr, und ich versuche sie zu finden.«
Das Gesicht verschwand, doch die Schrotflinte blieb, wo sie war. Ein paar Sekunden später kehrte die Frau zurück. »Sie sind weg«, sagte sie. »Es waren ungefähr ein Dutzend, aber sie sind weg.«
»Wann sind sie gegangen?«
»Vorgestern.«
»Wissen Sie, wohin sie gegangen sind?«
»Sie sagten, sie gingen in ein Übergangslager.«
»In ein Übergangslager? Wissen Sie, wo?«
»Nein, das haben sie nicht gesagt.«
Kyle fluchte leise vor sich hin. »Haben Sie gesehen, in welche Richtung sie gegangen sind?«
»Dort entlang. Aber ich habe nicht darauf geachtet.«
»War ein kleines Mädchen bei ihnen?«
Er konnte sehen, wie die Frau nickte. »Sogar zwei. Eines trug eine Katze.«
Kyle nickte. »Danke«, sagte er und wollte sich abwenden, aber die Frau hielt ihn zurück.
»Ist er schon gekommen?« rief sie.
Kyle drehte sich wieder um. »Wie bitte?«
»Ist er schon gekommen?«
»Wer?«
»Jesus.«
Kyle hielt inne und betrachtete die Schatten hinter dem Fenster genauer. Die Schrotflinte war da und auch der vage Umriß eines Frauenkopfes, aber mehr konnte er nicht erkennen. Er wechselte für einen Augenblick in den Astralraum, und da sah er ihre Aura, die wild und hektisch flackerte, ein reißender Strom der Emotionen.
»Nein«, sagte Kyle glatt. »Ich glaube nicht.«
»Verzweifeln Sie nicht«, sagte sie. »Er wird bald kommen. Dann werden Sie Ihre Frau und Ihr Kind finden.«
Kyle nickte noch einmal und setzte sich wieder in Bewegung. »Vielen Dank. Ich halte nach ihm Ausschau.«
Das Holz glitt wieder an Ort und Stelle, während Kyle kopfschüttelnd zu Seeks-the-Moon zurückkehrte. Der Geist zuckte nur die Achseln. »Wir suchen eben alle etwas«, sagte er. Dann gingen beide langsam zum Wagen zurück.
29
Kyle fuhr den rapide in seine Bestandteile zerfallenden Jackrabbit über die Cicero Avenue nach Norden zurück. Etwa auf halbem Weg, kurz vor der Division Street, erreichten sie den Schauplatz einer offenbar erst kürzlich ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen zwei Gangs. Mindestens ein Dutzend Personen lagen tot auf der Straße, so daß Kyle nicht anders konnte, als eine der Leichen mit dem Wagen zu überfahren. Ein Rudel Hunde, die ihrerseits um die Leichen kämpften, zerstreute sich, als er vorbeifuhr. Weder er noch Seeks-the-Moon sagten ein Wort.
Schließlich wieder im Stützpunkt angelangt, stellte Vathoss ihnen drei ›neue‹ Mitglieder des Teams vor - Wachmänner von Knight Errant, die von der Errichtung des Sperrgebiets überrascht worden waren. Kyle stellte ihnen ein paar Fragen, aber keiner von ihnen war im Truman Tower gewesen oder wußte, wohin seine Bewohner verschwunden sein mochten.
Anne Ravenheart war ebenfalls verschwunden. Laut Vathoss waren sie und ein paar von ihren Leuten zu einem Beobachtungsposten in der Nähe einer
Weitere Kostenlose Bücher