Nuke City
die mit der Sehfähigkeit zu tun hatten. Er schuf einen Knoten mystischer Energie, den neuen Ausgangspunkt für sein Sehvermögen, und projizierte ihn vorwärts, vorbei an der Menge, durch die geschlossene Tür und in den Raum dahinter.
Er war groß und hell. Über den Waschbecken waren Spiegel angebracht, und über den Spiegeln hingen Neonröhren, die ein grelles Licht auf die anwesenden Frauen warfen. Alle Waschbecken waren besetzt, und neben den überquellenden Abfalleimern warteten noch mehr, bis sie an der Reihe waren. Die Toilettenfrau zog es offenbar vor, die illegalen Vorgänge in der ersten Toilettenkabine zu ignorieren. Es gab etwa zwei Dutzend Kabinen, alle im hinteren Teil des Raums.
Alle waren besetzt, und vor jeder Kabine wartete mindestens eine weitere Frau. Von den beiden Geistern war nichts zu sehen.
Still vor sich hin fluchend, dirigierte Kyle seine Sicht weiter vorwärts, als sich eine der Kabinentüren öffnete und eine Frau herauskam, deren Platz sofort von einer der wartenden eingenommen wurde. Unsicher hielt er einen Augenblick inne, um dann unter die Decke zu schweben und einen raschen Blick in alle Kabinen auf der linken Seite zu werfen.
Keine der beiden gesuchten Frauen befand sich in einer der Kabinen. Er wandte sich der anderen Seite zu und wiederholte den Vorgang.
Dort waren sie auch nicht.
Wiederum fluchend, warf Kyle jegliches Schamgefühl über Bord und überprüfte gründlich jede einzelne Kabine, bevor er den Rest des Raumes noch einmal durchsuchte.
Die beiden Geister waren ganz einfach nicht da.
Er beendete den Zauber.
»Sind sie weg?« fragte Seeks-the-Moon.
»Ja.«
»Das habe ich schon befürchtet. Ich habe die Toilettentür im Auge behalten, aber keine der beiden ist wieder herausgekommen.«
»Sie müssen durch die rückwärtige Mauer verschwunden sein. Ich glaube, dahinter befindet sich eine Gasse. Sie konnten es nicht riskieren, vor aller Augen zu verschwinden.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Jetzt«, sagte Kyle, »gehen wir zu den Trumans und sagen ihnen, daß ich mir langsam große Sorgen mache.«
8
Als Kyles Wagen abbremste und in die Lichtinsel vor dem Truman Tower rollte, tauchte plötzlich Hanna Uljaken aus den tiefen Schatten neben dem Eingang auf und eilte zu seinem Wagen. Erfreut nahm er zur Kenntnis, daß mehr Beamte von Knight Errant auf der hell erleuchteten Auffahrt seinen Ausweis überprüften, und registrierte gleichermaßen froh, wie die beiden Beamten an der Tür ihre Position veränderten, um Hanna auf dem Weg zu ihm besser schützen zu können.
Die Flügeltür des Fords hob sich, und er stieg rasch aus und ging ihr um den Wagen herum entgegen.
»Ich habe Mr. Truman sofort nach Seeks-the-Moons Eintreffen verständigt«, sagte sie zu ihm, während sie sich dem Eingang näherten. »Er und Mrs. Truman waren auf ihrer Jacht, sind aber bereits per Hubschrauber hierher unterwegs. Sie müßten jede Minute eintreffen.«
»Und Melissa?« fragte Kyle, als sie durch die Lobbytüren gingen, die innen von drei weiteren Beamten bewacht wurden.
Sie verzog das Gesicht. »Das ist ein Problem.«
Kyle blieb stehen. »Warum?«
»Vor ein paar Stunden hat sie ihre Bewacher abgeschüttelt.«
»Miststück!« sagte er, wütend den Kopf schüttelnd. »Ist Facile oben?«
»Das war er nicht, aber ich habe ihn verständigt.«
Kyle wandte sich an den nächsten Beamten in seinem maßgeschneiderten Körperpanzer samt vollständigem taktischem Kommunikations-Kopfset und dem nicht allzu lässig über die Schulter geworfenen Sturmgewehr. Kyle zeigte auf ihn. »Lassen Sie Facile wissen, daß wir ihn oben brauchen.« Der Befehl schien den Mann zu verblüffen, doch der Mann griff an sein Kopfset und überraschte Kyle mit der raschen Ausführung der Anweisung.
Kyle und Hanna gingen weiter zu den Fahrstühlen. »Sie haben irgendwann davon gesprochen, daß von Melissa eine Ritualprobe vorliegt?«
Sie nickte. »Ja, sie ist tiefgefroren.«
»Und befindet sich im Familienbesitz?«
Sie nickte. »In einem Sicherheitstresor im Keller.«
»Wir werden sie brauchen.« Als sie den Fahrstuhl erreichten, trat die Wache darin geschmeidig beiseite. Kyle sah, daß es dieselbe Frau war wie bei seinem letzten Besuch hier, aber jetzt war sie für den Krieg gekleidet.
»Befehl«, sagte Hanna, als sich die Türen hinter ihnen schlossen. »Penthouse. Express.« Der Fahrstuhl beschleunigte schnell auf seine Höchstgeschwindigkeit, wie Kyle vermutete. »Befehl«, sagte sie erneut.
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