Nuke City
brauchte seine Astralsinne nicht, um zu wissen, daß es sich um einen Trick handelte: Licht, das durch eine Handvoll von Mikrokristallen gebrochen wurde. Gaukelei war im Kaleidoskop offenbar der letzte Schrei.
»Es scheint so, als wäre ich nicht allein«, sagte Seeks-the-Moon in Kyles Gedanken hinein. Sich rasch umdrehend, überflog Kyle die Menschenmenge in dem Versuch, den Geist darin auszumachen.
»Wie meinst du das?«
»Wenn mich nicht alles täuscht, ist die junge Frau vor der roten Neonsäule auf der anderen Seite der Tanzfläche auch ein Geist.«
Kyle lehnte sich gegen das Geländer und strengte sich an, die Entfernung mit seinen forschenden Blicken zu überbrücken. Er konnte eine Traube von Gestalten an einem roten Neonpfeiler erkennen, aber viel mehr auch nicht. Er lehnte sich gegen das Geländer und wechselte auf astrale Wahrnehmung. Der Raum wurde zu einem lebhaften, energetischem Fokus, zu einer Kaskade aus Farben und Energie. Trotz der strahlenden Helligkeit, der gesammelten Energie der dicht gedrängt stehenden Tänzer und ihrer Empfindungen, waren keine mystischen Auren zu sehen, außer an der Säule.
Dort entdeckte Kyle zwei mächtige Auren, beide unmaskiert. Beide gehörten Frauen, und sie barsten förmlich vor echter, ursprünglicher Macht. Geister, die sich in menschlicher Gestalt manifestiert hatten.
»Kannst du einen ungehinderten Blick auf sie werfen?« fragte Kyle über ihre telepathische Verbindung.
»Nein, und ich glaube auch nicht, daß ich noch näher gehen sollte. Sie können wie ich gleichzeitig normal und astral sehen. Du willst doch wohl nicht, daß ich sie auf unsere Anwesenheit aufmerksam mache.«
»Du hast recht. Ich versuche, näher an sie heranzukommen.« Kyle kehrte wieder zur normalen Wahrnehmung zurück und ging um die Tanzfläche herum, wobei er den Blick auf die rote Säule gerichtet hielt. Er war fast da, als sich Seeks-the-Moon wieder meldete.
»Eine der beiden entfernt sich«, sagte der Geist. »Sie geht in den hinteren Teil des Clubs.«
»Kannst du ihr folgen?« fragte Kyle, indem er versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, ohne Zwischenfälle zu verursachen.
»Ich glaube schon, aber wieviel soll ich riskieren?«
»Könnte sie Linda Hayward sein?«
»Nur, wenn sie sich maskiert hat. Diese Frau ist schwarz.«
»Folge ihr, wenn du kannst.«
»Das werde ich.«
Kyle blieb für einen Augenblick stehen und konzentrierte sich, verstärkte seine Abschirmung und, was vielleicht am wichtigsten war, die Maske, die seine mystische Aura dämpfte. Doch falls diese Frau, wer sie auch sein mochte, so mächtig war, wie ihre unmaskierte Aura vermuten ließ, bezweifelte er, daß seine Versuche, seine Aura zu unterdrücken, sehr erfolgreich sein würden. Er schlug einen Bogen, um sich ihr von hinten zu nähern.
Ihr Haar hatte die gleiche Farbe wie das unnatürliche Licht, und ihre Haut war bleich und wächsern. Ihre Kleidung schien aus echtem Leder zu sein, dunkel und glänzend, und schmiegte sich eng an ihre langen Beine. Ihre Weste saß locker an Rücken und Beinen, und die Arme waren bis auf kupferne Armreifen nackt.
Was ihn für einen Augenblick innehalten ließ, war das Bild auf dem Rücken ihrer Weste. Es war die Gestalt eines Engels, entschieden feminin und offenbar militant. Ein Arm war aufwärts in den Himmel gerichtet und schwang ein leuchtendes Schwert. Der andere deutete nach unten und verbarg, was die zerfetzten Lumpen ihrer Kleidung nicht verbergen konnten. Das Gesicht des Engels war von einem Kranz glänzender Haare eingerahmt und nach unten gerichtet, doch sein Blick richtete sich auf den Betrachter - direkt, provokant und herausfordernd. Die Worte »Desolation Angels« prangten über dem Engel und auf den Schulterblättern der Frau.
»Desolation Angels«, sagte Kyle zu Seeks-the-Moon. »Das steht auf ihrem Rücken.«
»Bei meiner auch«, erwiderte der Geist, »obwohl ich sie noch nicht - Drek!«
Kyle blieb stehen. »Was ist?«
»Sie ist gerade auf die Toilette gegangen«, meldete sich Seeks-the-Moon. »Ich wage es nicht, ihr zu folgen. Damit käme ich ihr zu nah.«
»Dann warte, bis sie wieder herauskommt.« Kyle hatte sich wieder in Richtung auf die andere Frau in Bewegung gesetzt. »Mal sehen, was ich bei dieser erreiche.«
»Ist das Linda Hayward?«
»Nein.« Kyle trat neben sie und wünschte plötzlich, er hätte einen Drink in der Hand gehabt. Er blickte einen Augenblick über die Tanzfläche und dann angelegentlich nach links.
Die
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