Nuke City
ab, entnahm ihr die Ampulle und legte sie in den dafür vorgesehenen Schutzbehälter, der sich ebenfalls in dem Etui befand.
»Sie haben meine persönliche Telekomnummer«, sagte er zu der Ärztin. »Sollte irgendeine Änderung eintreten, rufen Sie mich sofort an.« Dann verließ er das Zimmer und machte sich auf den Weg in die Krankenhauslobby.
Zu dieser frühen Morgenstunde war in dem Krankenhaus noch alles ruhig. Als Kyle im Erdgeschoß aus dem Fahrstuhl stieg, hörte er aus einem angrenzenden Flur Lärm. Den Geräuschen folgend, gelangte er schließlich zum Verwaltungs- und Informationszentrum, dem Computerherz des Krankenhauses.
Der Lärm kam aus dem Hauptcomputerraum, wo der Stab die verschiedenen Systeme des Krankenhauses überwachte. Bevor Kyle eintreten konnte, wurde er von einer der privaten Wachen des Krankenhauses in Begleitung eines Knight Errant Beamten aufgehalten. Knight Errant unterstützte die Krankenhaussicherheit seit der Verlegung von Mitchell Truman. »Was ist los?« fragte Kyle. Der Krankenhauswachmann sah ihn nur an, doch der Beamte von Knight Errant erkannte Kyle. Laut Namensschild hieß er Leventhal.
»Sieht mir nach einem Decker aus, Sir«, sagte der Mann, während ihm die Krankenhauswache einen kalten Blick zuwarf.
Kyle versuchte einen Blick in den Raum zu erhaschen, konnte jedoch nicht viel sehen.
»Die internen Sicherheitsprogramme des Computersystems haben vor ein paar Minuten eine Lade- Anomalie festgestellt«, erklärte der Beamte. »Sie haben herauszufinden versucht, was los ist, aber es sieht so aus, als sei jemand von draußen in das System gedeckt, der jetzt die Datenbanken durchsucht.«
»Aufnahmeakten?« fragte Kyle.
»Es scheint so, Sir.«
Kyle seufzte. Wenn diese Geschichte mit Mitchell Trumans Anwesenheit im Zusammenhang stand, war es mehr als wahrscheinlich, daß der Decker die Aufnahmeakten gefunden hatte und wußte, daß der Junge hier war. »Wahrscheinlich sollten wir ihn nicht schon wieder transportieren«, sagte Kyle zu dem Beamten. »Aber wir sollten ihn zumindest in ein anderes Zimmer verlegen, sobald der Decker das System entweder verlassen hat oder hinausgeworfen wurde. Dann wäre diesen Leuten, wer sie auch sein mögen, Mitchells genauer Aufenthaltsort im Krankenhaus unbekannt. Dadurch gewinnen wir im Ernstfall vielleicht ein paar Minuten.«
Der Beamte nickte. »Ich werde Ihre Empfehlungen Lieutenant Facile übermitteln.«
Kyle lächelte. »Tun Sie das.« Er drehte sich um und verließ das Krankenhaus, in Gedanken versunken. Er hatte Glück, da er praktisch sofort ein Taxi fand, das ihn zum Hotel brachte.
Wieder in seiner Suite, wo er endlich Schlaf fand, träumte Kyle schon sehr bald von Gewittern.
11
Als er fast acht Stunden später erwachte, warteten zwei Botschaften auf ihn. Er konnte sich nicht erinnern, irgendwo anders als an der Tür ein Bitte-nicht-stören-Schild aufgehängt zu haben, aber wenn er bedachte, um wie vieles er sich jetzt besser fühlte, hatte er nicht das Bedürfnis, sich zu beschweren. Die erste Botschaft stammte von Beth. Sie wollte, daß er sie zurückrief. Das tat er mit seinem Taschentelekom. Das Fuchi-Logo erschien dank seiner Anzeigeverbindungs- Cyberware in seinem Gesichtsfeld, schwebend und fast undurchsichtig.
Kyle hatte ein seltsam unbehagliches Gefühl dabei, sie während der Arbeit anzurufen. Er fand es immer noch falsch, daß sie diesen Job angenommen hatte, aber er hatte schon vor Jahren jede Möglichkeit verloren, deswegen etwas zu unternehmen. Er empfand einen Stich, als er mit Fuchis internem Kommunikationsnetz und dann mit Beth verbunden wurde. Sie hob sofort ab. Ihre Frisur war anders als noch vor einem Tag bei ihrem gemeinsamen Essen. Er erkannte sie kaum.
»Büro von John Mikayama, Elizabeth Breman am Apparat«, sagte sie forsch.
»Hoi«, sagte er.
Sie stutzte kurz, als sie sein Gesicht sah. »Hoi. Geht es dir gut?«
»Klar«, sagte er überrascht über ihre Frage. »Warum sollte es mir nicht gutgehen?«
Sie spitzte die Lippen. »Ich habe mir ein wenig Sorgen gemacht, als du nicht anriefst.«
»Tut mir leid. Ich weiß, das wird dich nicht weiter überraschen, aber die Dinge sind komplizierter, als ich ursprünglich dachte.«
Beth nickte und warf einen Blick auf etwas, das Kyle nicht sehen konnte, redete dann aber weiter. »Du hast recht. Es überrascht mich nicht. Aber hast du mittlerweile Gelegenheit gehabt, mit Ellen zu reden?«
»Nein«, sagte Kyle zögernd. »Aber das werde ich
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