Nuke City
veränderte er wiederum den Blickwinkel seiner Zauber, um ihm zu folgen. Von der Dachluke führte eine Leiter direkt ins Treppenhaus, das sich durch das ganze Haus zu ziehen schien.
Kyle folgte dem Mann so weit nach unten, wie der Zauber reichte, und sagte dann zu Moon: »Bring uns nach unten.«
Der Geist, der Kyles Astralkörper vorsichtig festhielt, sank durch den Belüftungsschacht nach unten. Kyles Anweisungen folgend, schwebten sie so schnell abwärts, daß der Mann gerade innerhalb der Reichweite von Kyles Zaubern blieb.
Sie folgten ihm, wobei sie die Häuser am Straßenrand als Deckung benutzten, bis der Mann in die Randolph Street einbog. Aus seinem Blickwinkel konnte Kyle ein paar Blocks weiter zwei große Lastwagen sehen, die scheinbar planlos von einem halben Dutzend unauffällig aussehender Lieferwagen und Kleinlaster umgeben waren. Die Gegend war eine Mischung aus Geschäfts- und Industrieviertel, so daß die Fahrzeuge zur Umgebung zu gehören schienen.
»Erwischt«, sagte Kyle.
»Gut. Und jetzt?«
»Jetzt statten wir ihnen einen Besuch ab«, sagte Kyle zu Moon. »Aber zuerst brauche ich meinen Körper.«
19
Kyle öffnete die Augen und begann sofort mit Dehnübungen, um seinen Körper von der Verkrampfung und der Lethargie zu befreien, die ein längerer Aufenthalt im Astralraum mit sich brachte. Deshalb dauerte es auch ein paar Augenblicke, bis er die große Staffelei und die mit Zeichenstift hingekritzelten Worte › BIN ZUR ARBEIT‹ sah. Sonst stand nichts darauf, keine anderen Worte, keine Unterschrift, keine Abschiedsfloskel, die Aufschluß darüber gegeben hätte, in welcher Stimmung sie die Nachricht geschrieben hatte. Kyle glitt wieder in den Astralraum und begutachtete die Staffelei und die jetzt unleserliche Schrift. Er spürte eine leichte Verärgerung, die mit den Worten einherging, aber da war auch noch etwas anderes. Ein Anflug von Munterkeit, wenngleich sie durch das dü- sterere Gefühl gemildert wurde.
Er seufzte. Er hätte die Zeit nicht aus den Augen verlieren dürfen und dasein müssen, als sie aufgewacht war. Als Beth nach unten gekommen war, mußte sie schon leicht gereizt gewesen sein; daß sie ihn auf dem Sofa entdeckt hatte, die Aufmerksamkeit auf den Astralraum gerichtet, hatte es nur noch schlimmer gemacht. Wenn alles noch so war wie früher, würde sie sich während der Arbeit beruhigen, und dort würde er sie später anrufen, nachdem er sich mit Knight Errant befaßt hatte.
Er fand seine restliche Kleidung auf dem mittlerweile gemachten Bett, zog sich an und ging wieder nach unten, um bei den Trumans anzurufen. Ein Diener nahm den Anruf entgegen, und ein paar Augenblicke später sprach er mit Hanna Uljaken. Sie trug einen weißen Geschäftsanzug über einem kragenlosen Seidenhemd in der Farbe ihrer Augen. Sie gab sich alle Mühe, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen.
»Wo sind Sie gewesen?« wollte sie wissen. »Geht es Ihnen gut?«
Kyle wollte sie fragen, ob Seeks-the-Moon ihr nicht seine Botschaft ausgerichtet hatte, aber dann fiel ihm wieder ein, daß er Moon auf seine Erkundungsreise mitgenommen hatte. Der Geist kehrte wahrscheinlich gerade erst zur Wohnung der Trumans zurück, wie Kyle ihm aufgetragen hatte.
»Ja, es geht mir gut«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich Sie nicht habe wissen lassen, was los war. Ich bin spät in der Nacht vorbeigekommen und habe bei Moon eine Nachricht für sie hinterlassen, ihn dann aber mitgenommen, um mir bei meinen Nachforschungen zu helfen.«
»Ja, das war nicht besonders schlau.« Kyle spürte genau, daß sie trotz ihres Lächelns und ihres betont neckischen Tonfalls immer noch wütend war. Ihre Reaktion implizierte viele Dinge, mit denen er sich im Augenblick aber nicht beschäftigen konnte.
»Steht mein Wagen immer noch dort, wo ich ihn gestern abgestellt habe?« fragte er.
»Wenn er nicht gestohlen wurde.«
»In etwa einer Stunde komme ich wieder zum Tower«, sagte er. »Wir sehen uns dann.«
»Wollen Sie nicht wissen, was hier passiert ist?«
Er spannte sich. »Irgend etwas Kritisches?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Dann würde ich es lieber von Angesicht zu Angesicht hören.«
Ihr Blick wurde etwas weicher. »Schön. Wollen Sie noch mit Mr. Truman sprechen?«
»Nein. Zumindest nicht jetzt.«
»Er hat heute ziemlich viel geschäftlich zu erledigen.«
»Gut.« Kyle wollte die Verbindung unterbrechen, dann überlegte er es sich im letzten Augenblick anders. »Hat sich Knight Errant
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